Zum Hauptinhalt springen

Umwelt

Großes Glasgebäude, in dem sich der AFD Parteisitz NRW befindet.
AfD Parteisitz NRW (Foto: Lisanne Müller).

Augen zu, Probleme weg? – Die AfD und der Klimawandel

Auf dieser Seite

„Die Klima-Hysterie der letzten Jahre ist von den Medien vorsätzlich und planmäßig erzeugt worden.“ – Die AfD leugnet
den anthropogenen Klimawandel und macht Klimapolitik zu einem ihrer Kernthemen.

Halten kleine Kinder sich die Augen zu, dann denken sie, sie seien unsichtbar. Ganz ähnlich ist es, fragt man die AfD nach dem Klimawandel. Nur ist das weniger süß, sondern eher erschreckend. Im Kommunalwahlprogramm 2020 der AfD Nordrhein-Westfalen steht, ein Zusammenhang von menschengemachten CO2 und dem Klimawandel sei nicht belegbar und Klimapolitik sei reine „Symbolpolitik“. Schon in der Einleitung wird behauptet: „Die Klima-Hysterie der letzten Jahre ist von den Medien vorsätzlich und planmäßig erzeugt worden.“. Dies macht zweierlei deutlich: Obwohl es keine Glaubensfrage ist, weigert sich die Partei wissenschaftliche Fakten anzuerkennen und macht gleichzeitig Klimapolitik zu einem ihrer Kernthemen. Klimapolitik wird als „ideologischer Unsinn“, als „perfide Angstmacherei“ dargestellt. Es wird sich gegen einen Ausstieg aus Kohle- und Atomenergie ausgesprochen und Erneuerbare Energien werden abgelehnt. Die Partei warnt davor, Umwelt- und Energiepolitik gegeneinander auszuspielen – tut jedoch genau dies. Sie fordert eine Politik auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse im Gegensatz zu ideologisierten Entscheidungen und spricht gleichzeitig vom „Klimawahn“ und „quasireligiöser Indoktrination“.

Klimawandel-Skepsis – ein rechtspopulistisches Phänomen?

Dass die Gletscher schmelzen und die Biodiversität abnimmt, scheint für uns weit weg und wenig greifbar, doch die Konsequenzen des Klimawandels können auch in Deutschland hautnah miterlebt werden. Man sollte daher meinen, dass Politik und Gesellschaft alle erdenklichen Anstrengungen auf sich nehmen, um sogenannte Kipppunkte nicht zu überschreiten. Bemühungen dafür sind nicht von der Hand zu weisen. Die Vereinten Nationen haben sich selbst 2015 im Pariser Abkommen Klimaziele und Handlungsvorgaben auferlegt, welche von allen Staaten der Erde anerkannt werden. Auch gesellschaftlich steht das Thema Klimaschutz spätestens seit den ab 2018 international beachteten Fridays For Future Demonstrationen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Allerdings ist eine Entwicklung zu beobachten, die klimaschützende Maßnahmen gefährdet: Klimawandel-Skeptizismus. Nicht nur der Klimawandel selbst, sondern auch der Einfluss des Menschen darauf und die Klimapolitik werden angezweifelt und diskreditiert. Solche Haltungen sind hauptsächlich unter Wähler:innen, die sich als rechtskonservativ einschätzen und unter rechtspopulistischen Parteien zu finden.

Nun könnte man meinen, dieses Phänomen gäbe es vielleicht in Brasilien, wo der Präsident Bolsonaro, beziehungsweise das Umweltministerium das Budget für den Klimaschutz um 95 Prozent gekürzt hat und derweil Rodungen im Regenwald weiter zunehmen. Oder in den USA, die zwar unter Joe Biden dem Pariser Abkommen wieder beigetreten sind, doch die Amtszeit des Ex-Präsidenten Trump hat auch in der Klimapolitik seine Spuren hinterlassen. Tatsächlich braucht man jedoch gar nicht so weit in die Ferne zu schauen. – AfD Fraktionschef Alexander Gauland kündigte jüngst den Kampf gegen den Klimaschutz an. Im Interview mit Der Welt erklärte er: „Die Kritik an der sogenannten Klimaschutzpolitik ist nach dem Euro und der Zuwanderung das dritte große Thema für die AfD.“. Klimapolitische Maßnahmen werden von verschiedensten Politiker:innen der rechtspopulistischen Partei als „Hysterie“ bezeichnet und der Regierung wird vorgeworfen, unter dem „Deckmantel“ des Klimaschutzes die Bürger:innen auszurauben. Im Parteiprogramm wird die Gefahr von CO2-Emissionen negiert und die „große Transformation der Gesellschaft“ heraufbeschworen. Mit dieser Haltung positioniert sich die AfD in Europa als eine der skeptischsten Parteien, steht jedoch bei weitem nicht alleine damit dar.

Der Klimawandel in Deutschland

Dass sich die Erde erwärmt und Menschen diese Entwicklung zu verantworten haben, ist bereits seit Jahrzehnten nachgewiesen. Das einzige, was dem entgegenwirken kann, ist eine entschiedene Reduktion an Treibhausgasen. Geschieht dies nicht, entstehen klimabedingte Schäden, die teilweise irreversibel sind und Risiken für Mensch und Natur bergen. Konsequenzen sind bereits spürbar: Die Zahl der extremen Wetterereignisse hat sich in den vergangenen 50 Jahren allein in Deutschland verdreifacht. Zwar sind benachteiligte und verwundbare Bevölkerungsgruppen von den Gefahren des Klimawandels besonders stark betroffen, sodass das Spannungsfeld zwischen Klimaschutz und Armut steigt, dennoch leidet auch hierzulande die Wirtschaft und das Risiko von Versorgungsengpässen ist real. Deutschland hat zwar sein Klimaschutzziel für das Jahr 2020 eingehalten und 40,8 Prozent weniger Emissionen im Vergleich zu 1990 produziert. Ohne die coronabedingten Lockdowns wäre das jedoch nicht gelungen.

Klimawandel-Skepsis im Europäischen Parlament

Rechtspopulistische Parteien befinden sich im Aufwind. Sie gewinnen auf nationaler sowie auf internationaler Ebene an Zuspruch. So konnten 2019 rechtskonservative und zum Teil rechtsextreme Fraktionen ihren Sitzanteil im Europäischen Parlament von 118 auf insgesamt 135 Sitze vergrößern (751 Sitze insgesamt).

In der achten Wahlperiode (2014-2019) des EU-Parlaments stimmten 77% der rechtspopulistischen Parteien gegen klimaschützende Gesetze – die AfD gegen jedes einzelne. Mit einem steigenden Sitzanteil können rechtspopulistische Parteien Gesetze verhindern oder Prozesse verlangsamen. Außerdem könnten Mainstream-Parteien Positionen und Argumentationen adaptieren, sodass Prioritäten verschoben werden und Klimaschutz abgeschwächt oder verhindert werden könnte. Oftmals werden rechtspopulistische Parteien als single-issue Parteien, also mit dem Fokus auf bloß einem Thema, nämlich auf Migrationspolitik reduziert. Doch der Blick auf die Klimapolitik zeigt, dass sie auch hier einen Konsens finden. Gemein haben sie außerdem eine ähnliche Argumentationsweise: Klimaschutz verhindere wirtschaftliches Wachstum, bringe soziale Ungerechtigkeit hervor und schränke die nationale Souveränität ein. Klimapolitische Maßnahmen seien kostenintensiv, ineffizient und ein Konzept der Eliten, um die „einfachen“ Bürger:innen auszunutzen. Die Argumente werden in die rechtspopulistische Ideologie eingebettet und Klimapolitik als Bürde dargestellt, um so Wähler:innen zu gewinnen.

 Der Klimawandel ist keine Glaubensfrage und das sollte auch so kommuniziert werden.

Gesellschaftliche und politische Konsequenzen

Entgegen ihrer Forderung nach einer Politik basierend auf Fakten und Rationalität, schafft die AfD das Gegenteil – sie etabliert ein Klima der Skepsis gegenüber wissenschaftlichen Arbeitsweisen sowie bezüglich etablierten Institutionen und der Regierung. Dies kann im Zweifelsfall eine Gefahr für den Rechtsstaat und die Demokratie bedeuten. Das gilt nicht nur im Kontext Klimapolitik, sondern vermehrt auch für andere Themen, wie zuletzt in der Corona-Krise beobachtet werden kann.

Der Zusammenhang von Klimawandel-Skeptizismus und Rechtspopulismus findet erstaunlich wenig Beachtung in der Öffentlichkeit. Da nicht damit zu rechnen ist, dass die AfD die Hände von den Augen nimmt und sich der Realität stellt, sollten Politik und Gesellschaft erkennen, dass rechtspopulistische Parteien Klimaschutz beeinflussen und gar verhindern können. Durch klares Positionieren basierend auf wissenschaftlichen Fakten muss verhindert werden, dass durch rechtspopulistische Argumentation Falschinformationen an Überhand gewinnen. Der Klimawandel ist keine Glaubensfrage und das sollte auch so kommuniziert werden.