Kultur

Große Klänge auf kleinem Klavier
Beim Winterfest auf der Bilker Straße beginnt der Nachmittag mit einem Toy Piano Festival. Im Lesesaal des Heinrich-Heine-Instituts wird musikalisch erzählt, wie Clara und Robert Schumann zu ihrer Zeit Weihnachten verbrachten. Doch gespielt wird nicht nur am mächtigen Flügel, sondern auch auf geschrumpften Pianos, auf den sogenannten Toy Pianos.
Das Toy Piano unterscheidet sich deutlich vom klassischen Klavier, denn neben der reinen Größe nutzt es auch eine andere Technik zur Erzeugung der Klänge. Anstatt gespannter Saiten stecken im Inneren Stahlstäbe. Dadurch klingt es deutlich heller als ein Standard-Klavier, fast als wäre es ein Glockenspiel. Gleichzeitig verlangt das Instrument allerdings beim Spielen mehr körperliche Arbeit, weil die kurzen Tasten mehr Kraft brauchen, um den Ton wirklich herauszuholen. Das Toy Piano hat aber auch einige Stärken. Ein Klavier gehört zu den wenigen Instrumenten, die Musiker:innen nicht einfach mitnehmen können. Viele andere Instrumente sind ständig griffbereit und lassen sich überall spielen. Das Toy Piano ist klein, leicht und damit problemlos reisefähig. Gerade diese Mobilität sowie der außergewöhnliche Klang machen das Instrument so attraktiv.
Die beiden Pianistinnen Frederike Möller und Yukiko Fujieda zeigen mit viel Witz und Kenntnis, wie ernsthaft man mit einem scheinbaren Spielzeug musizieren kann. Immer wieder wird zwischen dem großen Flügel und den kleinen Toy Pianos gewechselt. Teilweise schaffen es die Pianistinnen mit einer Hand den Flügel und mit der anderen das Toy-Piano zu bedienen. Zusammen verbinden sie die Besonderheiten der beiden Instrumente.

Das Toy Piano Festival gibt es in Düsseldorf schon seit mehreren Jahren und widmet sich immer einem literarischen Thema. In diesem Auftritt steht die Weihnachtszeit bei den Schumanns im Fokus. Die Stücke des berühmten Komponisten wurden teilweise extra neu interpretiert, um auf dem kleinen Instrument gespielt zu werden. Wenn die Pianistin Möller die Schumann-Lieder auf die kleinen Tasten überträgt, werden die Melodien fast skizzenhaft. Schließlich werden die Lieder durch die wenigen Tasten auf dem geschrumpften Instrument auf den wesentlichen Teil der Komposition reduziert. Das Publikum folgt dieser Verwandlung aufmerksam und viele Stücke enden mit einem erstaunten Innehalten, bevor geklatscht wird.
Das Festival verfolgt eine musikpädagogische Idee: Das „ernste“ Klavierrepertoire wird auf ein Instrument übertragen, das an ein Kinderinstrument erinnert. Dadurch wird die Musik für ein gemischtes Publikum, insbesondere Familien, geöffnet. Dabei wird eine Idee aufgegriffen, die schon Robert Schumann wichtig war. Er wollte Stücke zu schreiben, die besonders der jungen Generation Freude am Klavierspielen machen. Genau solche ursprünglich für Kinder gedachten Lieder wurden deshalb ebenfalls ins Programm aufgenommen. Anfangs klingt das Toy Piano noch wie aus einem Kinderbuch – helle, klirrende Töne, die an alte Kindermusik erinnert. Zwischen den Musikstücken werden Hintergrund-Geschichten über die Schumanns und die Entstehung der Lieder erzählt. Die Grenze zwischen Konzert und Erzählstunde verschwimmt. Teilweise wollte Robert Schumann die gespielten Lieder seiner Frau aus Liebe widmen. Allerdings empfand er diese als ihrer zu unwürdig und konnte die eigenen Ansprüche nicht erreichen. Durch das Programm zieht sich die Frage, wie die Schumanns eigentlich das Weihnachtsfest gefeiert haben. Clara Schumann wurde von ihrem Mann mit zwei Opernkarten beschenkt. Um dieses Konzept der Opernmusik einzufangen, werden auf dem großen Flügel und dem kleinen Toy-Piano Stücke gespielt, die ansonsten eigentlich von Orchestern aufgeführt werden.
Das Toy-Piano-Festival zeigt, wie leichtfüßig Erinnerung klingen kann, wenn man sie über winzige Tasten laufen lässt.
Redigat: am / ce
Audio: Jana Maier
Text: Serkan Gerdelmann
Video: René Boddice
Dieser Beitrag ist im Rahmen des Workshops „Mediale Begleitung des Winterfestes auf der Bilker Straße – Wir erkunden die Straße der Romantik und Revolution“ der Studierendenakademie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf entstanden.

