Wissenschaft

Medizin zum Anfassen – selbst forschen statt nur studieren
Ein Gastbeitrag von Carolin Kühlwein
Düsseldorf ist mit seinem Uniklinikum und den dort vertretenen Forschungsfeldern ein bedeutender Medizinstandort. Insbesondere bei Herztransplantationen spielt Düsseldorf eine wichtige Rolle: Die Uniklinik ist die zweitgrößte Einrichtung dieser Art in Deutschland.
Forschung ist dabei nicht nur etwas für Professor:innen – auch Studierende sind aktiv beteiligt und tragen schon früh zu neuen Erkenntnissen bei. Einer von ihnen ist Matthias, der im zehnten Semester Medizin studiert. Im vergangenen Jahr arbeitete er im Rahmen seiner Doktorarbeit im Labor an seinem eigenen Projekt, um die Grundlage für einen Ansatz in der Behandlung von Herzkrankheiten zu erforschen.
Herzkrankheiten und der möglicherweise daraus resultierende Herzinfarkt gehören in Deutschland zu den häufigsten Todesursachen und Erkrankungen. Neben akuten Gefahren sind auch die Folgen langfristig für die Erkrankten erheblich.
Matthias hat sich entschieden, eine Doktorarbeit zu schreiben und sich zunächst über seine Möglichkeiten informiert. Auf der Uni-Seite entdeckte er eine Doktorandenstelle im CURE3D Lab (Cardiovascular Regenerative Medicine & Tissue Engineering 3D Lab), auf die er sich dann beworben hat. In diesem Labor hat sich die Forschung u. a. auf Herzchirurgie spezialisiert. Die Mitglieder des Forschungsteams kommen aus den Bereichen Medizin, Biologie, Biotechnologie und Lebenswissenschaften. Der Leiter der Klinik, Prof. Artur Lichtenberg, legt den Schwerpunkt des Instituts auf die Herz-Kreislauf-Forschung, genauer gesagt auf den Gewebeaufbau und die Regeneration von Herzklappen und Herzmuskel. In einem Freisemester nahm sich Matthias die Zeit zunächst Herztransplantationen im OP anzusehen, um im Anschluss die explantierten und kranken Herzen im Labor zu untersuchen.
Forschungsweg
In enger Zusammenarbeit und Absprache mit seinem Doktorvater Prof. Hug Aubin und seiner Betreuerin Dr. Elvira Weber, gelang es ihm neue Erkenntnisse zu gewinnen. Seine Forschung stützte sich auf ein Projekt, welches bereits im Kölner Institut CECAD (Cologne Excellence Cluster for Aging and Aging-Associated Diseases) die Erkenntnis gewonnen hatte, dass zwei Proteine, genauer gesagt GPR4 und ART3, unterschiedlich stark in der linken und rechten Herzkammer ausgebildet sind. Zudem war bereits in Tierversuchen mit Ratten herausgefunden worden, dass durch die künstliche Blockade des GPR4-Proteins, die Ratten nach einem künstlich erzeugten Herzinfarkt länger leben konnten. Matthias versuchte nun mit einer anderen Methode diese unterschiedliche Ausprägung in den Herzkammern zu beweisen und zu bekräftigen.

Im ersten halben Jahr schaute sich Matthias Operationen an, bei denen Herztransplantationen durchgeführt wurden. Er stand rund um die Uhr auf Abruf bereit und wurde unmittelbar kontaktiert, wenn eine Transplantation mit einem passenden Spenderherz im Uniklinikum bevorstand. Im OP schaute er dann zu, um anschließend die kranken Herzen noch im OP als Gewebeproben für seine Forschung zu präparieren, damit er diese genauer unter dem Mikroskop untersuchen konnte. Diese Gewebeproben wurden in einem speziellen Prozess eingefroren. Im zweiten halben Jahr begann dann seine Arbeit im Labor. Er holte die Proben aus dem Gefrierschrank und schnitt diese dann so zurecht, dass sie ideal auf die Plättchen des Mikroskops passten. Er präparierte sie mit verschiedenen Lösungen, unter anderem auch mit Antikörpern. Nach zwei Tagen Einwirkungszeit konnten die Proben unter dem Mikroskop untersucht und analysiert werden. Durch die Anwendung des Immunfluoreszenz-Mikroskops gelang die Lokalisierung der Proteine in den Zellen des Herzens. Matthias beschreibt diese Zeit als Trial-and-Error: Während im Laufe der Zeit das ART3-Protein keine Relevanz aufzeigte, da es nicht nachgewiesen werden konnte, war das Ergebnis bei GPR4 eindeutig. Dieses Protein ließ sich in der linken Herzkammer deutlich öfter nachweisen als in der rechten Herzkammer. Die Menge des Proteins hing zudem von bestimmten Risikofaktoren ab. Die Menge des GPR4-Proteins war unter anderem auffällig höher bei Männern mit Fettstoffwechselstörungen. Mit verschiedenen Proben wiederholte er über Wochen verteilt diese Arbeit und hielt die Erkenntnisse für seine Doktorarbeit fest.
Wichtige Erkenntnisse
Diese Erkenntnisse könnten dabei helfen, GPR4 als möglichen Ansatzpunkt für zukünftige Therapien und Medikamente bei Herzkrankheiten zu nutzen. Die Funktion von GPR4 im Körper macht zusätzlich Hoffnung, da das Protein eine wichtige Rolle spielt. Grund dafür ist, dass es durch eine saure Umgebung aktiviert wird, die bei einem Herzinfarkt entsteht und sodann an der Entstehung einer Immunreaktion im Gewebe beteiligt ist. Es besteht die Hoffnung, dass die Auswirkungen eines Herzinfarkts durch eine neue Behandlung weiter reduziert werden können. Matthias Arbeit ist eine Grundlage für weitere Forschungen, die andere Risikofaktoren untersuchen könnten. Die medizinische Forschung auf diesem Gebiet ist essenziell, denn nur durch ein tieferes Verständnis können neue Therapieansätze entwickelt werden, damit die Überlebenschancen nach einem Herzinfarkt größer werden.
Aller Anfang ist schwer
Obwohl Matthias in der Lage war, mithilfe eines Promotionsstipendiums der Universität für Medizinstudenten mit experimenteller Doktorarbeit seinen vollen Fokus auf seine Forschung zu legen, hatte er zunächst die Herausforderung, sich richtig im Labor zurechtzufinden. Denn während die meisten Studierenden im Laufe ihres Studiums erste Erfahrungen im Labor sammeln konnten, hatte Matthias das Problem, den praktischen Teil während der Coronazeit nur in Online-Seminaren vermittelt zu bekommen. So stand er am Anfang ohne viel Vorerfahrung vor seiner großen Aufgabe. Auch wenn er natürlich auf Unterstützung seiner Betreuerin und seines Doktorvaters vertrauen konnte und viel Fachliteratur las, war es am Anfang für ihn überwältigend. Doch mit der Zeit lernte er, an seiner Aufgabe zu wachsen.
Obwohl er große Freude in seinem Forschungsjahr an der Aufgabe hatte, freut er sich primär auf den Beruf als Arzt. Es war zwar für ihn interessant, einen tieferen Einblick in die Grundlagen der Medizin zu gewinnen, doch in der Zukunft sieht er sich selbst nicht in der Wissenschaft und im Labor, sondern eher in der Versorgung von Patienten.
Dennoch empfiehlt er Studierenden der Medizin, ihre Doktorarbeit im CURE3D Lab zu machen. Nicht nur die Unterstützung dort ist wertvoll. Auch die dort gesammelten Erfahrungen kann er in seiner beruflichen Zukunft gut anwenden und die Möglichkeit als Student direkt mit transplantierten Herzen zu arbeiten war für ihn eine einmalige Chance, die er jederzeit wieder ergreifen würde.
Bei Interesse an einer Promotionsstelle für Medizinstudenten:
https://www.medizin.hhu.de/forschung/foerderung/foerderlinien-der-forschungskommission
