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Wissenschaft

Aufbau des Experimenttisches: mehrere Ebenen mit Messgeräten, vielen Spiegeln, Kabeln und Lasern
Aufbau des Experimenttisches: mehrere Ebenen mit Messgeräten, vielen Spiegeln, Kabeln und Lasern (Foto: Anastassija Sheremet)

Extrem kalte Laserphysik und exotische Materiezustände

Ein Beitrag von Anastassija Sheremet

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Im Labor von Prof. Dr. Axel Görlitz am Institut für Experimentalphysik werden Atome mithilfe von Lasern beinahe bis zum absoluten Nullpunkt gekühlt, um besondere Materiezustände zu erzeugen. 
Im Rahmen der Vortragsreihe „Coole Sachen: Eiseskälte an der Düsseldorfer Uni“ durften wir einen Blick ins Labor und hinter die Kulissen der Forschung werfen. 

Beim Betreten des physikalischen Labors fällt sofort die große Apparatur auf, die den Großteil des Raums einnimmt: Viele systematisch vernetzte Kabel, kleine Spiegel-ähnliche Teilchen auf einer Ebene, und Messgeräte auf einer anderen - alles sorgfältig justiert und aufgereiht. Bei näherer Betrachtung der Spiegel sieht man auch ein grünes Licht – ein Laserstrahl, der bestimmte Spiegel durchdringt. Dieser Laserstrahl ist am Ende auf ein einziges Atom in einer Vakuumkammer gerichtet, welches abgekühlt wird, um seine Untersuchung zu ermöglichen.

Teilchen und Tennisbälle

Atome haben die Eigenschaft, sich rege im Raum zu bewegen – dies erschwert eine genauere Betrachtung. Es ist jedoch möglich, Atome zum Stillstand zu bringen, wenn auch nur für wenige Sekunden. 
Man kann sich ein Atom wie einen Tennisball vorstellen, der in eine bestimmte Richtung fliegt. 
Nun kommt der Laser ins Spiel: der Lichtstrahl besteht aus Photonen – kleinsten energiegeladenen Teilchen. Diese kann man sich ebenfalls als eine Menge anderer Tennisbälle vorstellen, die dem Atom entgegenfliegen und dieses in seiner Bewegung abbremsen. Richtet man mehrere Laser von allen Richtungen darauf, kommt das Atom durch diese sog. Magneto-Optische-Falle (MOT) zum Stillstand – wie in einem Gitter aus Licht. Die vielen kleinen Spiegel lenken den Laserstrahl in die gewünschten Richtungen. Da Bewegung laut den Gesetzten der Thermodynamik (Anfang) mit Wärme verbunden ist, bewirkt der Stillstand eine starke Kühlung – fast bis zum absoluten Nullpunkt. Das sind 0° Kelvin oder -273,15° Celsius!

Und wozu das Ganze? Hier befinden wir uns im Gebiet der Quantenphysik. Diese Teildisziplin beschäftigt sich mit den Naturgesetzten im (sub)atomaren Bereich und lässt auch Zusagen über größere Systeme zu. Als Grundstein der digitalen Revolution wären ohne sie Erfindungen wie das Radio, Handy, Satelliten, Röntgen und MRT- Aufnahmen nicht möglich. Tagtäglich kommen wir mit ihren Gesetzten in Berührung – und ohne wäre unser modernes Leben wenig vorstellbar.

Das Team um Prof. Dr. Görlitz kreiert sogenannte Bose-Einstein-Konsdensate: ein exotischer Zustand der Materie, bestehend aus einer Verbindung zweier Atome (eines Moleküls).  Hierbei spielen Wechselwirkungen keine Rolle mehr, denn die Atome verhalten sich wie ein einziges Atom mit denselben physikalischen Eigenschaften. Diese Verbindung dient zur Grundlagenforschung und trägt zum Verständnis zukünftiger Quantencomputer oder sehr genauer Atomuhren bei.

Vom Metall zum Atom

Gearbeitet wird im absoluten Vakuum – denn wenn es um die Untersuchung einzelner Atome geht, sollen die Teilchen der Atmosphäre nicht stören. 
Rubidium und Ytterbium sind die schönen Namen der Stoffe, deren Atome hier verwendet werden. Beides sind auf den ersten Blick unscheinbare, silberfarbige Metalle. Theoretisch ließe sich der Prozess auch mit anderen Atomen durchführen, doch diese Stoffe haben die passendsten physikalischen Eigenschaften für das Forschungsvorhaben: Z.B. ein großes elektrisches und magnetisches Dipolmoment. Diese starke Polarität im Molekül macht es geeignet dafür, Wechselwirkungen in unseren Quantensystemen zu verstehen. 
Die Metalle werden in einem Atomofen im Vakuum zunächst erhitzt, um eine Sublimation zu erzeugen: Den direkten Übergang des festen Aggregatzustandes zu einem gasförmigen. Die nun frei beweglichen Atome dieser Metalle werden durch die Laser einzeln stabilisiert und dann durch Kanäle zusammenführt, wo sie unter den richtigen Bedingungen eine Verbindung eingehen und ein Molekül bilden können.

Atome fotografieren

Zunächst ermittelt werden, bei welchen Parametern Moleküle entstehen: Dazu werden z.B. verschiedene Frequenzen ausprobiert. Die Kühlung der Atome dauert ca 1/100 Sekunden und diese bleiben dann 10-100 Sekunden stabil. Diese Zeit hat man dann für die Aufnahme der einzelnen Datenpunkte. Dieser Prozess der Datenaufnahme wird viele Male wiederholt. 
Auch die Spiegel erfordern Präzision: bis auf 1/100 mm genau sind sie ausgerichtet und auch die Raumtemperatur darf nicht zu sehr schwanken, denn durch die Änderung der Temperatur können sich die Spiegelflächen ausdehnen oder zusammenziehen. Atomwolken bei unterschiedlichen Parametern werden durch eine spezielle Präzisionskamera dokumentiert. 

Visuell lässt sich die Atomwolke durch einen roten Fleck auf blauen Hintergrund darstellen (siehe Bild, links). Der Graph („Fit“) zeigt die größte Dichte der Atome und die größte Sichtbarkeit für die Atomwolke (rechts).

Unten: Ein Spektrum, das zeigt, bei welcher Frequenz Moleküle entstehen. Es wird die normierte Atomanzahl (normiert auf den größten Wert der Messung) gemessen. Da man nicht direkt messen kann, wann sich ein Molekül gebildet hat, sieht man dies anhand des Einbruchs der Atomzahl bei einer erfolgreichen Verbindung. Hierbei richtet man die Messung auf jeweils ein Atom: so schließt man aus dem „Verlust“ eines Ytterbium-Atoms auf die Verbindung dessen zu einem Molekül mit Rubidium. Jeder Punkt auf den Graphen entspricht einer Atomwolke.

Rydberg-Atome: ein weiterer exotischer Zustand

Ein weiteres Forschungsvorhaben ist die Erzeugung sogenannter Rydberg-Atome. Es handelt sich hierbei um Atome, welche ein äußeres Elektron besitzen, welches so weit vom Kern entfernt ist, dass es das 10.000-fache Größe des Grundzustand-Atomes erreichen kann. Dies lässt sich wegen des großes Abstands der Kernladung zum Elektron mit einem Wasserstoffatom vergleichen. Gerade aufgrund dieses großen Dipolmoments reagieren Rydberg-Atome besonders empfindlich auf elektrische Felder und sind deshalb auch besonders interessant. Das langfristige Ziel dieses Experiments ist die Untersuchung verschiedener Wechselwirkungen der Ytterbium Rydberg-Atome in einem optischen Gitter. 
 

Prof. Dr. Axel Görlitz

Prof. Dr. Axel Görlitz leitet das Institut für Experimentalphysik an der HHU. Gemeinsam mit seinem Team untersucht er hier exotische Materiezustände wie Bose-Eistein-Kondesate und Rydberg-Atome. Er spricht mit viel Enthusiasmus über seine Forschung.