
Zwei studentische Stimmen für den Stadtrat
Wenn am 14. September in Dormagen der Stadtrat neu gewählt wird, stehen auch zwei Studierende auf dem Wahlzettel: Til Fischer (20) und Jan Gronowski (23). Beide studieren an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, beide engagieren sich bei den Jusos und beide wollen die Perspektive junger Menschen in die Kommunalpolitik tragen.
Vom Opa geprägt, von Merkel motiviert
Til ist in Dormagen aufgewachsen. Seit zwei Jahren studiert er Sozialwissenschaften „Ich sage immer, das ist eine Mischung aus Merkel, Marx und Monte“, erzählt Til. Schon während der Schule interessierte er sich für Politik. Geprägt wurde er von seinem Großvater Joachim Fischer, der mit 84 Jahren noch immer in der Kommunalpolitik aktiv ist. In diesem Jahr treten beide sogar gemeinsam an: Großvater und Enkel kandidieren für die gleiche Partei für den Stadtrat. Ein solches Duo hat es in Dormagen bisher noch nie gegeben.
Jan wiederum studiert Volkswirtschaftslehre an der HHU. „Ich habe mich schon immer für Gesellschaftswissenschaften interessiert, Politik und Geschichte. Aber da ich kein Lehrer werden wollte und Mathe mir lag, bin ich bei VWL gelandet.“ sagt er. Seit einem Jahr ist er Vorsitzender der Jusos in Dormagen. Seine Politisierung begann, als Angela Merkel 2021 nicht mehr kandidierte: „Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich das Gefühl hatte: Jetzt verändert sich wirklich etwas. Da wollte ich selbst aktiv werden“ erzählt Jan.

Politik zum Anfassen
Beiden gefällt, wie nah die Kommunalpolitik an den Menschen ist. Jan sagt: „Das Schöne ist, dass man die Auswirkungen der Entscheidungen direkt sieht, nicht wie auf Bundesebene, wo vieles abstrakt bleibt.“ Til bringt es ähnlich auf den Punkt: „Kommunalwahl ist Politik zum Anfassen. Es geht darum, ob das Schwimmbad gerettet wird oder nicht, wie wir Schulen ausstatten oder wo Spielplätze entstehen.“ Er möchte vor allem junge Leute erreichen. Der Student spricht von einem verloren gegangenen Vertrauen der Jugend in die Politik, das man sich zurückverdienen müsse: „Man darf nicht warten, dass sie zu uns kommen. Wir müssen dorthin, wo sie sind: in Jugendzentren, auf Sportplätze, in die Innenstadt. Vertrauen kommt nur im Gespräch“, sagt er.

Verschiedene Schwerpunkte
Inhaltlich haben die beiden verschiedene Akzente. Jan fokussiert sich vor allem auf zwei Themenfeldern: „Zum einen brauchen wir eine digitale und effiziente Verwaltung. Gerade mit Blick auf den demografischen Wandel ist das unvermeidlich. Und zweitens: bezahlbarer Wohnraum. Der macht einen enormen Teil der Lebenshaltungskosten aus. Anders als bei Steuern oder Abgaben kann die Kommunalpolitik hier tatsächlich etwas bewegen“, sagt er.
Til dagegen denkt kleinteiliger und ganz lokal. Sein wichtigstes Projekt: eine Radstation am Bahnhof Nievenheim, das ist ein Stadtteil von Dormagen. „Wir haben dort extrem viele Diebstähle, die Aufklärungsquote liegt bei 5,7 Prozent, die niedrigste im ganzen Rhein-Kreis Neuss. Mit abschließbaren Radboxen, die man mit dem Handy öffnet, könnten wir präventiv viel erreichen,“ berichtet er. Daneben treibt ihn ein Mangel an Angeboten für Jugendliche an. „Es ist ein Armutszeugnis, wenn junge Menschen am Bahnhof herumhängen, weil es keine Angebote gibt. Wir müssen Räume schaffen, wo sie hingehen können“, so Til.
Studium und Stadtrat
Die Doppelbelastung aus Studium und Politik schreckt keinen der beiden ab. „Für die großen, wesentlichen Sachen hat man in der Regel Zeit“, meint Jan. Schwieriger werde es erst, wenn neben Vorlesungen auch noch Arbeit und private Verpflichtungen dazukommen. „Wenn man nebenbei noch jobbt und vielleicht auch andere Hobbys hat, dann wird es zeitlich manchmal schon eng. Aber so für die wichtigen Dinge bleibt am Ende immer noch Luft“, sagt er.
Er weiß aber auch, dass Politik kein Nebenbei-Projekt ist: „Man darf nicht unterschätzen, wie viele Abende und Wochenenden man in Sitzungen verbringt. Das ist kein Hobby, das ist Verantwortung.“ Gleichzeitig ist er überzeugt, dass gerade das Studium eine gute Basis bietet: „Wenn ich mich mit Haushaltsplänen beschäftige, ist es hilfreich, dass ich Bilanzen nicht zum ersten Mal sehe. Da merke ich, dass VWL im Stadtrat wirklich nützlich sein kann“, erzählt er.
Til klingt dagegen entspannter. Sein Studium lasse ihm aktuell genug Freiraum. „Zurzeit passt das sehr gut zusammen. Aber wenn Sitzungen acht bis zehn Stunden die Woche dauern, muss man Prioritäten setzen. Studium bleibt Nummer eins“, sagt er. Auch er weiß, dass das nicht immer so bleiben muss: „Gerade, wenn Prüfungsphasen dichter werden, wird es anstrengend. Da muss man sich dann entscheiden, was Vorrang hat“, findet der Student.
Beide sind sich einig, dass das Mandat eine langfristige Verpflichtung ist. Jan sagt: „Man kandidiert nicht für ein Projekt, sondern für fünf Jahre. In der Zeit verändert sich viel im eigenen Leben, aber genau das macht es spannend: Man wächst mit den Aufgaben.“ Til ergänzt: Dass man für fünf Jahre im Amt ist, „ist für viele junge Menschen eine Hürde, aber wenn wir nicht anfangen, ändert sich auch nichts.“

Junge Stimmen
Beide wollen, dass junge Menschen ihre Stimme nutzen. „Geht wählen und interessiert euch für Politik. Denn wenn ihr nicht wählen geht, interessiert sich die Politik am Ende auch nicht für euch“, meint Jan. Til formuliert es philosophischer: „Vielleicht interessierst du dich nicht für Politik, aber die Politik interessiert sich für dich“, sagt er. Beide wissen, dass ihr Alter sowohl Stärke als auch Schwäche sein kann. „Manchmal gilt man als frischer Wind mit neuen Ideen. Gleichzeitig fehlt eine Erfahrung. Am Ende kommt es auf die Mischung an“, sagt Til.
Redigat: jw
Hintergrund
Dormagen: Die Stadt am Rhein zählt rund 65.000 Einwohner:innen. Etwa ein Fünftel ist unter 25 Jahre alt. Gerade Themen wie Wohnraum, Freizeitangebote, Mobilität und Ausbildung sind für sie entscheidend und zugleich Bereiche, in denen die Kommunalpolitik unmittelbaren Einfluss hat.
Wahlbeteiligung: Bei der letzten Kommunalwahl in Dormagen lag die Beteiligung bei rund 50 Prozent. Vor allem junge Wähler: innen blieben häufig zu Hause. Landesweit lag die Quote bei den 16- bis 24-Jährigen sogar teils unter 40 Prozent. Ein Grund, warum Parteien versuchen, diese Altersgruppe stärker anzusprechen.
Kommunalpolitik: Anders als auf Landes- oder Bundesebene sind die Wege hier kurz. Entscheidungen wirken sich direkt auf den Alltag aus, werden aber auch unmittelbarer wahrgenommen. Im Guten wie im Schlechten.
Stadtrat: Das Gremium besteht aus knapp 50 Abgeordneten und trifft Entscheidungen über Themen, die das Leben in Dormagen direkt betreffen wie zum Beispiel den Erhalt von Schwimmbädern, die Ausstattung von Schulen, den Bau von Radwegen und Spielplätzen, die Förderung von Kulturangeboten oder die Unterstützung von Sportvereinen.
