Politik

Wie Trump die Freiheit der Wissenschaft bedroht
„We have to honestly and aggressively attack the universities in this country“, forderte J.D. Vance, der heutige Vizepräsident der USA, im November 2021 auf der National Conservatism Conference. Dieses Ziel ist seit Trumps erneuter Amtsübernahme nicht mehr nur eine provokative Einzelmeinung, sondern zur politischen Realität geworden. Mit Executive Orders, Sprachregelungen und dem Entzug von Fördergeldern schränkt die neue US-Regierung die Wissenschaftsfreiheit ein. Besonders betroffen sind unter anderem die Gender-Studies. Begriffe wie „Gender“, „Diversität“ oder „queer“ gelten als unerwünscht und verschwinden zunehmend von öffentlichen Webseiten. Forschende, die solche Wörter in staatlich geförderten Forschungsprojekten verwenden, müssen mit Repressalien bis hin zur Einstellung ihrer Projekte rechnen. Dadurch kommt es zur Selbstzensur mit Auswirkungen weit über die Vereinigten Staaten hinaus. Internationale Kooperationen, der Fortschritt der Wissenschaft und der Kampf gegen Ungleichheit werden global erschwert.
Wie sehen die Sprachregelungen in den USA aus?
Die New York Times veröffentlichte im März dieses Jahres eine umfangreiche und doch nach eigenen Angaben nicht vollständige Liste von Begriffen, die unter der Trump-Regierung als unerwünscht gelten. Ein direktes, offizielles Verbot der Worte gibt es allerdings nicht. Die zahlreichen Beispiele von Repressalien gegenüber Forschenden, die sie dennoch verwenden, reichen jedoch aus, um Wissenschaftler:innen zur Selbstzensur zu bewegen.
Hinter den indirekten Sprachregelungen stehen verschiedene Executive Orders, die vorgeblich Frauen oder weiße Personen schützen sollen, die durch vergangene Dekrete gefährdet oder diskriminiert worden wären. Eine dieser Executive Orders Trumps, die er schon an seinem ersten Tag im Amt, am 20. Januar 2025 unterschrieb, trägt den Titel: „Defending Women from Gender Ideology Extremism and Restoring Biological Truth to the Federal Government“. Das Dekret beinhaltet, dass in offiziellen Dokumenten keine Sprache mehr verwendet werden soll, die nach Auffassung der Regierung „Gender Ideologie“ fördern würde. Es soll keine Gender-Identität mehr existieren, die sich von dem bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht unterscheidet. Diese Maßnahme soll angeblich Frauen vor Männern schützen, die sich als Frauen ausgeben, um in ihre privaten Bereiche wie Umkleiden oder Duschen zu gelangen.
Das Dekret zum vermeintlichen Schutz von Frauen wurde von Donald Trump unterschrieben, der 2023 wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt wurde – ein Urteil, welches nach einer Berufungsverhandlung 2024 bestätigt wurde. Die Vorgeschichte dieses Mannes wirft die Frage auf, ob es nicht weniger um den Schutz der Frauen geht als vielmehr um die Durchsetzung einer politischen Ideologie.
Die Executive Order
Eine Executive Order ist ein Dekret. Durch Dekrete kann der Präsident keine Gesetze erlassen, sondern nur bereits bestehende Gesetze weiter ausführen. Gleichzeitig dürfen die Executive Orders nicht gegen bestehende Gesetze oder die Verfassung verstoßen. Executive Orders wurden entwickelt, damit der Präsident die ordnungsgemäße Ausführung von Gesetzen sicherstellen kann. Sie können jedoch schnell missbraucht werden, indem der ursprüngliche Sinn eines Gesetzes umgedeutet wird.
Um gegen Missbrauch vorzugehen, können Gerichte Dekrete aufheben, wenn diese gegen die Verfassung verstoßen. Des Weiteren kann der Kongress neue Gesetze gegen eine Executive Order erlassen, wogegen jedoch der Präsident sein Veto einlegen kann. Letztlich kann auch ein neuer Präsident vergangene Dekrete rückgängig machen.
Der Präsident kann somit mit einer Executive Order Anordnungen veranlassen, solange sie im Aufgabenbereich der Exekutive liegt und nicht gegen geltendes Recht oder die Verfassung verstößt.

Welche Ideologie steht hinter den Sprachregelungen?
Donald Trump ist keine eindeutige Ideologie zuzuschreiben. Insbesondere während seiner ersten Amtszeit änderten sich seine Meinungen zu Themen schnell. Allerdings bildet er seine Meinungen immer im Einklang mit konservativen Stimmen in den USA. Am bekanntesten ist das „Project 2025“ als Ausdruck dieser Meinungen.
„Project 2025“ wurde von der Heritage Foundation – einem Think Tank, der seiner Website zufolge die amerikanischen Werte wie die Freiheit bewahren möchte – gegründet und wird von weiteren konservativen Organisationen unterstützt. Die Autor:innen des Projekts sehen eine umfassende Neustrukturierung der Regierungsebene der USA durch die von ihnen in einem sogenannten „Playbook“ vorgeschlagenen Richtlinien vor. Die Verwirklichung der darin vorgeschlagenen Richtlinien solle „den linken Eliten ihre Macht nehmen und [diese Macht] dem amerikanischen Volk zurückgeben“. Dies soll wiederum durch einen größeren Einfluss der Konservativen erreicht werden.
Wenngleich sich Trump immer wieder von dem Projekt distanziert und auch die Vertreter des Projekts betonen, dass sie „nicht für einen Präsidentschaftskandidaten oder eine Kampagne sprechen“ würden, lassen sich viele Übereinstimmungen zwischen den Richtlinien, die in dem „Playbook“ vorgeschlagen werden, und den von Trump erlassenen Executive Orders finden. Die Sprachregelungen können ebenfalls dazu gezählt werden. Zum Beispiel lässt sich in den Richtlinien für das „Department of Health and Human Services“ die gleiche Idee wie in der zuvor genannten Executive Order Trumps finden. Hier wird darauf hingewiesen, dass die Wörter „Sex“ und „Gender-Identity“ nicht gleichbedeutend sein könnten.
Eine weitere Executive Order Trumps vom 21. Januar 2025 besagt, dass Diversitäts- und Gleichstellungsprojekte beendet werden müssen. Die Bevorzugung von schwarzen Personen oder Frauen führe zu mehr Ungerechtigkeit. Die gleiche Idee mit der gleichen Begründung ist in den Richtlinien des „Playbook“ für das „Department of Justice“ enthalten.
Die Nähe des „Project 2025“ zu Trump wird ebenfalls durch den Autor der Richtlinien für das „Department of Justice“, Gene Hamilton, deutlich. Hamilton war während Trumps erster Amtszeit als Justizminister eingesetzt. Er ist einer von vielen Autor:innen der Richtlinien, die unter Trump tätig waren oder es noch sind. Russell Vought, der Autor der Richtlinien im „Playbook“ für das Executive Office des Präsidenten, wurde von Trump im Februar 2025 als Direktor des „Office of Management and Budget“ eingesetzt und besetzte dieses Amt bereits zu Trumps erster Amtszeit. Vought gilt als einer der wichtigsten Mitwirkenden des „Project 2025“. Somit gibt es einige Verbindungen zwischen Präsident Trump und dem Projekt, auch wenn er sich davon distanziert.
Beispiel: Harvard University
Obwohl Executive Orders rechtlich nur für die exekutiven Organe der Vereinigten Staaten gelten, werden private Organisationen ebenfalls davon beeinflusst, wenn sie Verträge mit dem Staat eingehen, um zum Beispiel Fördergelder zu erhalten. Wie die neuen Regelungen unter Trump die Wissenschaft unter Druck setzen, lässt sich am aktuellen Beispiel der Harvard University verdeutlichen.
Die Executive Order „Ending illegal discrimination and restoring merit-based opportunity“ vom 21. Januar 2025 ist dazu gedacht, Diversitäts- und Gleichstellungsprojekte einzustellen. In Verträgen mit Bundesbehörden soll außerdem eine Klausel eingefügt werden, die Vertragspartner wie die Harvard University dazu anhält, sich an das Antidiskriminierungsgesetz zu halten, um staatliche Förderungen in Anspruch nehmen zu können. Wie ein Verstoß gegen das Antidiskriminierungsgesetz aussieht, ist nicht näher definiert und liegt somit im Ermessen der Regierung.

Damit in Verbindung steht ein Brief der US-Regierung, den die Harvard University am 11. April 2025 erhielt. Darin waren Forderungen aufgelistet, die erfüllt werden müssen, sollte die Universität weiterhin staatliche Fördergelder erhalten wollen. Gefordert wird unter anderem die Verstärkung des Kampfes gegen Antisemitismus, aber auch die Überwachung der ideologischen Einstellungen der Studierenden und die Beendigung von Diversitäts- und Gleichstellungsprojekten. All diese Forderungen finden unter dem Deckmantel der Antidiskriminierung statt.
Daraufhin veröffentlichte der Harvard-Präsident Alan M. Garber am 16. April 2025 eine Antwort. Er weigere sich, die Forderungen zu erfüllen und wolle nicht die „Unabhängigkeit der Universität aufgeben“. Wenige Stunden später wurden der Universität Fördergelder in Höhe von über zwei Milliarden Dollar gestrichen. Die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme ist umstritten. Unter Berufung auf das Recht auf Meinungsfreiheit verklagte die Harvard University nach dieser Kürzung die US-Regierung. Der Verlauf dieser Klage ist noch offen. (Stand 24. April 2025)
Die Heinrich-Heine-Universität veröffentlichte zu diesen Entwicklungen am 17. April 2025 ein Statement und „steht solidarisch an der Seite der Harvard University und aller akademischen Institutionen, die sich derzeit massiven politischen Angriffen auf ihre Autonomie und Werte ausgesetzt sehen“.
Sprachregelungen im Nationalsozialismus
Der Geschichte Deutschlands sind Sprachregelungen nicht unbekannt. Die Nationalsozialisten gaben Verlagen von Lexika und Enzyklopädien Definitionen für Wörter vor, die nicht geändert werden durften. Wörter wie zum Beispiel „tapfer“ durften nur noch im Zusammenhang mit deutschen Soldaten verwendet werden. Sprachregelungen wurden dazu verwendet, die Meinungen und Interpretationen der Nationalsozialisten zu propagieren und gleichzeitig gegensätzliche Meinungen zum Verstummen zu bringen. Widerspruch zum Regime sollte aus der Öffentlichkeit verschwinden.
Deutschland und die Wissenschaftsfreiheit
Während in den USA die Freiheit der Wissenschaft nur indirekt durch die Meinungsfreiheit, festgelegt im First Amendment der amerikanischen Verfassung, gewährleistet wird, benennt das deutsche Grundgesetz in Artikel 5 Absatz 3 explizit die Freiheit der Wissenschaft.
Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.
Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 5, Absatz 3
Doch auch in Deutschland gibt es Bestrebungen auf Landes- und Bundesebene, den Studienbereich der Gender-Studies zu beschränken. Entsprechende Anträge wurden allerdings vom Bundestag mit Berufung auf die Wissenschaftsfreiheit abgelehnt. Dennoch gibt die AfD diese Forderung nicht auf. Zuletzt sagte die AfD-Parteivorsitzende Alice Weidel im Januar 2025 auf dem Parteitag der AfD in Riesa, sie wolle sich, wenn die AfD in die Regierung käme, für die Abschaffung von Gender-Studies-Programmen einsetzen.
Als Reaktion auf diese Rede Weidels gab das Landes-ASten-Treffen NRW eine Pressemitteilung heraus. Es kritisiert den Plan der AfD: „Wenn ganze Wissenschaften danach bewertet werden, ob ihre Ergebnisse den Positionen einer politischen Partei entsprechen, wird ein Grundpfeiler unserer Demokratie infrage gestellt. Wissenschaft lebt von Freiheit und Unabhängigkeit – Prinzipien, die untrennbar mit unserem Grundgesetz verbunden sind.”
Deutsche Universitäten und die Wissenschaftsfreiheit
Die Maßnahmen gegen die Wissenschaftsfreiheit in den USA ziehen auf der ganzen Welt Folgen nach sich. Auch deutsche Universitäten sind betroffen. „Die Entwicklungen in den USA werden auch die deutsche Forschung beeinträchtigen, denn es bestehen ja Forschungskooperationen, die nicht weitergeführt werden können“, warnt die Rektorin der Heinrich-Heine-Universität, Prof. Anja Steinbeck. „Es gibt Berichte, nach denen etwa amerikanische Fachleute nicht mehr zu internationalen Treffen reisen, was für beide Seiten schädlich ist. Außerdem gehen nun Daten aus wissenschaftlichen Kooperationen und damit Forschungsergebnisse verloren. Auch das wird nicht ohne Auswirkungen auf Europa und Deutschland bleiben.“
Wissenschaftliche Freiheit und der Eingriff in die Wissenschaft in den USA sind somit kein Nischenthema. Es betrifft jeden und jede Forscher:in. Besonders in einer globalisierten Welt haben Einschränkungen des öffentlichen Diskurses Auswirkungen weit über die Grenzen eines einzelnen Landes hinaus. Was also kann getan werden, um die Freiheit der Forschung und Lehre an der Heinrich-Heine-Universität zu stärken und zu schützen?
„Die Freiheit von Forschung und Lehre sehe ich im Moment in Deutschland nicht beeinträchtigt. Perspektivisch problematisch ist es aber, wenn in Parteiprogrammen zu lesen ist, dass bestimmte Forschungsgebiete je nach Parteipräferenz abgeschafft werden sollen. Das wäre natürlich ein eklatanter Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit. Gleiches würde gelten, wenn der Beantragung von Forschungsgeldern eine Gesinnungsprüfung von Antragstellenden vorausginge“, sagt Steinbeck. Sie betont auch die Verantwortung der Universität über die Forschung hinaus:
Eine unserer Aufgaben ist es, alles dafür zu tun, damit unseren Studierenden die HHU als ‚demokratiefähige‘ Bürgerinnen und Bürger verlassen – und damit als Menschen, die den Wert unserer Demokratie schätzen und verteidigen.
