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Politik

Strukturelle Lösungen für strukturelle Probleme

Ein Beitrag von Eddie Wienströer

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Hochschulen sind ein Ort der Bildung und Aufklärung. Frei von Rassismus sind sie jedoch trotzdem nicht - die Juristin Malika Mansouri klärt über den Rassismus im Alltag der Universitäten auf.

Wer eine Diskussion über Rassismus führt, dessen erste Assoziation mag das Bild von Verirrungen zum rechten Rand oder Fälle von Fremden- oder Ausländerfeindlichkeit sein. Auch das Operieren mit Stereotypen oder Vorurteilen mag an diesem Begriff haften.
Malika Mansouri vergrößerte dieses Bild am vergangenen Freitag, mit einem Vortrag, der den Titel „Antimuslimischer Rassismus in Alltag und Praxis der Hochschulen“ trug. Der Vortrag markierte gleichzeitig den letzten Tag der kritischen Einführungswochen, in welchen der Semesterstart der HHU traditionell mit kritischer Bildung angereichert wird.

Die kritischen Einführungswochen wurden vom AstA organisiert. In den ersten zwei Wochen des Semesters kamen dabei verschiedene Aktivist:innen, Wissenschaftler:innen und andere Redner:innen für Vorträge, Diskussionen und andere Veranstaltungen an die HHU.

Mansouri ist derzeit als Volljuristin einer Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit in Kreis Herford nahe Bielefeld tätig. In dieser Position nahm sie viele Fälle von Rassismus wahr, welche in den schwarzen Zahlen oftmals nicht sichtbar sind.
Denn: auch vermeintlich aufgeklärte und in Sachen Diskriminierung engagierte Institutionen bieten dieser Tage nicht immer geeigneten Beschwerdestellen, welche das Auftreten von Rassismus erfassbar machten. Wie sich dieses Problem und dessen Folgen im Alltag an Hochschulen zeigt und wie ein fruchtbarer Diskurs über Rassismus tatsächlich aussehen kann, demonstrierte Malika Mansouri in einem dreiviertelstündigen Beitrag.
Aufgrund vieler verkürzter Auffassungen dessen, was der Begriff eigentlich meint, sei das Verständnis von Rassismus in Deutschland bis heute ein sehr enges. Um eine Diskussionsgrundlage für das Thema zu schaffen, müsse Rassismus vorerst als gesellschaftliches Machtverhältnis verstanden sein – das Ganze sei mehr als die Summe seiner Teile.
Ein dezidiertes Bild von Rassismus lasse sich also nicht aus den Einzelfällen zusammensetzen, sondern erfordere den Blick auf das System, welches jene hervorbringt. Es ginge nicht um das „Markieren des Rassisten“ oder die Beantwortung der Schuldfrage, wenn die Expertin für Diskriminierungs-, Migrations- und Sozialrecht von Rassismuskritik spricht. Was eine solche Kritik leisten soll, ist die Öffnung neuer Perspektiven, anhand derer einzelne Themen beleuchtet und anschließend fruchtbar diskutiert werden können.

Mansouri legt dar, dass sich ein rassistisches System nicht aus einem Mangel an Wissen speise. Vielmehr sei es die historische Dominanz rassistischen Gedankenguts, welche seine Wurzeln auch in den Strukturen Deutschlands und seiner Hochschulen habe. Vorfälle würden dadurch irrtümlicherweise als Skandale deklariert. Auch dies sei verkürzt gedacht: Nicht „der eine Professor“ bilde das Problem, sondern rassistisch geprägte Hierarchien.
Diese Hierarchien lassen sich beispielsweise beobachten, wenn Beamte im Rahmen ihrer Tätigkeit kein Kopftuch tragen dürfen, Putzfrauen jedoch schon. Dass Rassismus häufig nur da benannt und bekämpft wird, wo es die Bequemlichkeit zulässt, zeige sich auch am Beispiel der Universitäten.
Klarerweise seien Bemühungen seitens der Hochschulen festzustellen, Menschen anderer Hautfarben den Zugang zu Hochschulen zu ermöglichen, die Gründe für hohe Abbruchquoten innerhalb dieser Gruppen würden jedoch ignoriert.
Gründe wie diese seien es, die deutsche Universitäten zu einem Raum machen, in dem das nicht-weiß-Sein die Abweichung bildet. Im Hörsaal wie auch an Flughäfen und anderswo haben Weiße die „Superkraft, unsichtbar zu sein“. Als Mensch anderer Hautfarbe habe man eine „Videokamera im Kopf installiert“, die jede Nuance des eigenen Verhaltens in diesen Räumen penibel anvisiere, schildert Mansouri aus Gesprächen im Rahmen ihrer Tätigkeit.

„Race is the son of racism, not the father“ James Baldwin

Um den Diskurs über Rassismus fruchtbar zu gestalten, müsse verstanden werden, dass nicht die Rasse den Rassismus hervorbringt, sondern umgekehrt: „Race is the son of racism, not the father“ wird James Baldwin zitiert. In ihrem Vortrag verwendet die Referentin zwar den Begriff "Rasse". Da Menschen aber de facto nicht nach Rassen zu unterscheiden seien, reiche es nicht aus, so Mansouri, bloß von Rassekonstrukten zu sprechen.
Die Vermeidung des Rassebegriffs führe stets zu neuen Sprachverstecken, welche Diskriminierung in sich trügen. Hier bildet sich ab, inwiefern die Bekämpfung des Rassismus nicht in der Bekämpfung von Symptomen liegt. Zum Schluss zitiert Mansouri noch einmal Natasha Kelly: „Strukturelle Probleme brauchen strukturelle Lösungen.“