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Panorama

Laptopbildschirm auf dem das Logo der Serie "Friends" zu sehen ist
Comfort Binge (Foto: Caroline Drees)

Warum sich der Comfort Binge so gut anfühlt

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Friends, Gilmore Girls oder The Office: Lieblingsserien schauen die meisten mehr als nur einmal. Wieso fühlt sich der Comfort Binge so gut an?

Wer kennt es nicht – man öffnet Netflix und das Angebot erschlägt einen förmlich. Die „to watch“ Liste wird immer länger, aber es erscheint einem viel zu anstrengend, sich für eine Serie oder einen Film zu entscheiden. Stattdessen schaut man zum wiederholten Male und obwohl man die Dialoge längst mitsprechen kann, „Friends“ oder „The Office“. Nach einem anstrengenden Tag möchte man etwas schauen, das nicht viel Konzentration abverlangt, etwas Vertrautes. Das nennt man auch Comfort Binge. Auf diesen Begriff soll die Fernsehkritikerin Alexis Nedd beim Magazin Mashable gekommen sein: „The TV show people turn to in their coziest, laziest, or most bored moments is their Comfort Binge. Engaging in the Comfort Binge can barely be classified as seeking entertainment, it’s more of an attempt to let familiar voices, beats, and plots flow through pre-made grooves on an exhausted brain. The Comfort Binge is about minimizing effort while maximizing pleasure (…).”.

Immer wieder das gleiche zu schauen, kann wie ein Ritual sein. Sei es jedes Jahr zu Weihachten „Kevin allein zu Haus“ zu sehen oder den Tag mit einer Folge „Gilmore Girls“ zu beenden. Daniela Schlütz, Medienwissenschaftlerin an der Filmuniversität Babelsberg erklärt Deutschlandfunk Nova, viele landen beim Scrollen durch Streamingangebote bei Altbekanntem, gerade weil man wüsste, was einen erwartet: „Wir schauen die Serie hauptsächlich deswegen, um uns in einer gewissen Sicherheit zu wiegen, eine gewissen Vertrautheit zu spüren. Wir wissen ja was kommt.“.

Der Soziologe Peter Gross formte den Begriff der Multioptionsgesellschaft. – Alle Möglichkeiten des Erlebens und Handelns werden gesteigert. Doch diese Vielfalt an Optionen führt zu einem Realisierungsdruck: die Freiheit der Entscheidung bedeutet gleichzeitig die Angst, etwas anderes, womöglich besseres, zu verpassen. Laut Gross kommt es dadurch zu einer Leere. Diese Leere äußert sich vielleicht auch in dem Moment, in dem wir von dem schieren Angebot auf Netflix überfordert sind und deswegen das anschalten, was wir bereits kennen, um dem Druck zu entgehen. Netflix reagiert darauf übrigens mit „Netflix Direct“ – einem linearen Programm. In Frankreich können sich User:innen nun „von der Vielfalt des Netflix-Katalogs überraschen lassen“ ohne sich vorher für eine Sendung entscheiden zu müssen.

The TV show people turn to in their coziest, laziest, or most bored moments is their Comfort Binge. (...) The Comfort Binge is about minimizing effort while maximizing pleasure (…). - Alexis Nedd

Was zeichnet die perfekte Comfort Binge Serie aus?

Serien deren Folgen in 20 bis 30 Minuten eine abgeschlossene Handlung erzählen, mit Charakteren, mit denen eigentlich jeder befreundet sein möchte, bieten sich besonders als Comfort Binge an. Gefragt sind unterhaltsame oder lustige Inhalte, bei denen man jederzeit wieder ein- und aussteigen kann und durch die wir uns gut und geborgen fühlen. Schon in den 1950er Jahren beschrieben die US-Psychologen Horton und Wohl das Verhältnis zwischen Rezipient:innen und Medienakteur:innen als parasoziale Beziehung, die sich mit der Zeit aufbaut und zu einer realen emotionalen Bindung führen kann. „Friends“ einzuschalten, fühlt sich eben ähnlich an, wie einen Abend mit Freund:innen zu verbringen.

In der Welt, in der wir leben, wird ständig von uns erwartet, Entscheidungen zu treffen. Da ist das Bedürfnis verständlich, sich ab und an einfach nur berieseln lassen zu wollen. Das wäre auch gar kein Problem, wenn sich im Hinterkopf nicht das schlechte Gewissen melden würde. Man könnte seine Zeit schließlich auch mit gesellschaftskritischen Dokumentarfilmen verbringen. Aber seien wir mal ehrlich, das schlechte Gewissen bringt uns auch nicht dazu, statt einer Sitcom plötzlich Arte zu gucken. Von daher ruhig einfach mal Kopf aus, Comfort Binge an.