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Panorama

Auf dem Bild sieht man ein Paar In-Ear-Kopfhörer
Kopfhörer (Symbolbild)

Laub & Lieder: Indie-Songs für den Campus-Herbst

Ein Gastbeitrag von Leonie Pissowotzki

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Blätter rascheln auf dem Weg am Morgen, graues Wetter und betrübte Stimmung beim konzentrierten Arbeiten in der Bibliothek, kurze Pause nach der Vorlesung, spätnachmittäglicher Gang über den Campus und Heimweg in früher Dämmerung – das ist der Alltag vieler Studis im Herbst. Um in die richtige Herbststimmung zu kommen, dürfen diese Indie-Tracks nicht fehlen.

Steve Lacy – „Dark Red“ (2017)

Lo-Fi-Indie mit R&B-Elementen: das ist der Song „Dark Red“ von Steve Lacy. Der US-Musiker und Produzent aus Compton wurde zunächst als Gitarrist der Band The Internet bekannt. „Dark Red“ erschien 2017 auf seiner Debüt-EP „Steve Lacy’s Demo“ und steht exemplarisch für seinen reduzierten, oft analog geprägten Produktionsstil. Später feierte Lacy auch solo große Erfolge – u. a. mit dem Album „Gemini Rights“ (2022) und der Single „Bad Habit“. Das mittlere Tempo und der gleichbleibende Beat des Songs geben Orientierung, während die harmonischen Wendungen leichte Spannung erzeugen.

„Dark Red“ thematisiert Verlustangst; der Erzähler spürt, dass seine Beziehung zu zerbrechen droht, und ringt mit Eifersucht, Unsicherheit und dem Gefühl einer nahenden Katastrophe. Statt klare Antworten zu finden, kreist er in inneren Monologen zwischen Warnsignal und Bitte, nicht verlassen zu werden. Dieser Song eignet sich also perfekt dank des Beats für ein gleichmäßiges Schritttempo durch das herbstliche Laub.

memo Boy – „Insomniac“ (2017/2021)

„Insomniac“ zeichnet sich durch Pop-Elemente mit verhallten Vocals und konstantem, unaufdringlichem Beat aus. Es gibt kaum dynamische Sprünge, wenige Arrangement-Wechsel und ist deswegen perfekt, um ihn im Hintergrund laufen zu lassen. Memo Boy veröffentlichte überwiegend schlicht produzierte Bedroom-Demos sowie Online-Kollaborationen, darunter mit Chakra Efendi. Die zurückgenommene, unaufdringliche Ästhetik prägt viele seiner Veröffentlichungen aus den Jahren 2015 bis 2017. „Insomniac“ eignet sich für längere Lese- oder Schreibphasen, etwa in 25/5-Blöcken (Pomodoro-Technik), weil der Track begleitet, ohne die Aufmerksamkeit länger zu binden.

The Smiths – „This Night Has Opened My Eyes“ (1984)

Die Peel-Session-Aufnahme des Songs erschien später auf der Kompilation Hatful of Hollow. Das Stück basiert auf der Kurzgeschichte Last Exit to Brooklyn von Hubert Selby Jr. und thematisiert soziale Missstände, Gewalt und den Verlust von Perspektiven. Die düstere Stimmung und Morrisseys eindringlicher Gesang kontrastieren mit Johnny Marrs charakteristisch melodischem Gitarrenspiel und verleihen dem Song seine besondere Intensität. Inhaltlich schafft dieser Song eher eine melancholische Grundhaltung.

Die Lyrics schildern eine düstere Begebenheit um ungewollte Schwangerschaft, Geburt und die Weggabe eines Neugeborenen. Der Erzähler erlebt dabei einen Moment des Erwachens („this night has opened my eyes“), der die soziale Kälte und Verantwortungslosigkeit der Umgebung bloßlegt. Gerade die ruhige Instrumentierung und das gleichmäßige Tempo machen ihn zu einem Gegenpol zum hektischen Studienalltag. Trotz des ernsten Inhalts entfaltet der Song eine beruhigende, fast meditative Wirkung, die es leicht macht, für ein paar Minuten Abstand zu gewinnen.

girl in red – „we fell in love in october“ (2018)

Der Song „we fell in love in october“ erschien 2018 und entwickelte sich zunächst zu einem Fanliebling im Independent-Pop. Durch Social-Media-Plattformen, insbesondere TikTok, erlebte das Stück einige Jahre später ein Revival und erreichte ein breiteres Publikum. Mit seiner romantisch-atmosphärischen Stimmung wurde der Song zu einer Art Hymne für queere Coming-of-Age-Momente.

Sich in den Herbst zu verlieben, schafft der Indie-Pop Song mit schimmernden Gitarrenlayers und einzigartigen Vocals. Der Song zeichnet sich durch lo-fi Elemente aus, jedoch mit ausreichend Breite, um Wege und Übergänge der Melodie zu strukturieren. 2020 veröffentlichte girl in red mit „October Passed Me By“ eine Fortsetzung, die den Themenkreis von „we fell in love in october“ erneut aufgreift und in einem reiferen, nachdenklicheren Ton weiterspinnt.

Hinter dem Künstlernamen girl in red steht die norwegische Musikerin Marie Ulven Ringheim, die mit ihrem offenem Songwriting internationale Aufmerksamkeit erlangte. Sie gilt für viele junge Menschen aus der LGBTQ-Community als Vorbild, da sie in ihrer Musik und in Interviews selbstverständlich über queere Identität, Liebe und persönliche Erfahrungen spricht. Begleitend bei einem kurzen Spaziergang über den Campus oder beim Ausspähen seines Unicrushs in der Mensa kann man sich mit dem Song von girl in red also perfekt verlieben.

Ghost – „Mary on a Cross“(2019/2022)

Eingängiger Refrain, theatralische, aber dennoch zugängliche Inszenierung: das ist Mary on a Cross“ von Ghost. Hinter der Band steht der schwedische Musiker Tobias Forge, der Ghost 2006 gründete und seither mit wechselnden Begleitmusikern auftritt. Bekannt ist die Band für seine Mischung aus Hard Rock, Metal und Pop-Elementen sowie für die maskierten Auftritte, bei denen Forge als „Papa Emeritus“ oder „Cardinal Copia“ auftritt und so die Musik mit einer markanten visuellen Identität verbindet.

„Mary on a Cross “erschien 2019 auf der Single Seven Inches of Satanic Panic. 2022 erlebte der Song über TikTok einen deutlichen Popularitätsschub; Clips mit dem Track verbreiteten sich massenhaft, was zu stark steigenden Streams und einer breiteren Wahrnehmung führte. Der kontinuierliche Drive des Songs unterstützt ein gleichmäßiges Gehtempo auf dem Heimweg im Herbst und schafft mit seinem hymnischen Refrain eine fast filmische Atmosphäre. Besonders in der Dämmerung wirkt der Song als stimmige Begleitung auf dem Campus - präsent, aber nicht aufdringlich.