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Panorama

Die Donau auf Film festgehalten bei Sonnenschein (Foto: Maylea Selisch)
Donau-Romantik auf Film

Erwartungen an ein Auslandssemester

Ein Erfahrungsbericht von Maylea Zora Selisch

Auf dieser Seite

Ich habe im Sommersemester 2025 im Rahmen meines Studiums der Medien- und Kulturwissenschaft an der HHU ein Auslandssemester an einer Kunstuniversität in Österreich gemacht. Schon bevor ich die Zusage für meinen Erasmus-Aufenthalt in Linz erhielt, war mein Kopf voller Erwartungen. Erwartungen an neue Freundschaften, die ich dort schließen würde, an die Uni und auch an meine neue Wohnung. Und an Erfahrungen, die alle bestimmt ganz aufregend und toll werden würden. Die Vorfreude war groß, aber die Erwartungen noch größer. 

Erste Enttäuschungen

Als ich in Linz ankam, der drittgrößten Stadt Österreichs mit ca. 200.000 Einwohner:innen, kam gleich die erste Enttäuschung auf mich zu. Die Wohnung im Studierendenwohnheim sah ganz und gar nicht so idyllisch aus, wie auf den Bildern, die zuvor zu sehen waren. Das Zimmer erinnerte mich an das einer Jugendherberge und die Gemeinschaftsküche war weniger das Zuhause von uns Studis, als von Motten. Was als Musikzimmer gelten sollte, bestand aus einem Notenständer und einem E-Piano, bei dem die Hälfte der Tasten nicht mehr funktionierte. Das ganze Wohnheim wirkte wie ausgestorben, da noch Semesterferien waren und sich viele der Student:innen im Urlaub bei ihren Familien befanden. Die ersten zwei Nächte musste ich ohne Bettdecke schlafen, weil die Wohnung rein gar nichts an Ausstattung besaß. So ging ein nicht allzu kleiner Teil meines Erasmus-Geldes direkt am Anfang für Wäscheständer, Geschirr, Bettzeug und was nicht sonst noch alles drauf.

In den nächsten Tagen erkundete ich Linz. Auch die Stadt hatte ich mir größer, lebendiger und irgendwie besser vorgestellt. Als dann das erste Treffen mit den anderen Erasmus-Student:innen anstand, hoffte ich, dass das wenigstens so gut werden würde, wie erwartet. Natürlich wurde es das nicht. Wir waren eine sehr große Gruppe, ich kam nicht oft zu Wort und mein Englisch ließ zu wünschen übrig. Am Ende des Abends ging ich, nicht wie erhofft mit drei neu gewonnenen Freundinnen nach Hause, sondern mit nur einer neuen Freundin, die mit E anfing; der Enttäuschung.
In der Uni fühlte ich mich unwohl, weil die Seminare größtenteils nur aus fünf Leuten bestanden, sich alle untereinander kannten und vor künstlerischer Begabung nur so trotzten. Ich fühlte mich fehl am Platz und wünschte, ich hätte mir keine Kunst-Uni ausgesucht. Ich sah alles durch die Brille meiner vorherigen Erwartungen, weshalb ich kaum anders konnte, als enttäuscht zu sein. Die ersten Wochen waren deswegen dafür da, die Brille abzusetzen und der Realität ins Auge zu schauen, die dann doch nicht so schlecht war, wie erwartet.

Neue Realitäten

Nachdem ich die ersten zwei Wochen hinter mich gebracht hatte, fing ich an, die Gegebenheiten zu akzeptieren. Zum einen blieb mir nichts anderes übrig und zum anderen merkte ich, dass alles doch viel schöner war, als zunächst gedacht. Linz ist klein und bereits nach ein paar Tagen hatte ich das Gefühl, alles gesehen zu haben, was es zu sehen gab. Ich fand jedoch gefallen daran, jede Ecke einer Stadt zu kennen. Eine willkommene Abwechslung zu der ca. 600.000 Einwohner:innen zählenden Stadt Düsseldorf. Auch die österreichische Natur und Kultur gefielen mir sehr. Die Freundessuche war auf Dauer ebenfalls erfolgreich. Ich habe keinen großen Freundeskreis gefunden, wie ich es ursprünglich wollte, dafür aber zwei sehr gute Freundinnen. Mit ihnen erkundete ich Budapest, Bratislava, Wien und noch viele andere Städte sowie die umliegende Natur. Wir sprangen zusammen in die Donau, die Bergseen und für eine kurze Zeit in ein neues Leben.

Die Intimität der Universität entpuppte sich auch eher als Vorteil statt als Nachteil. So lernte ich die Leute dort schneller kennen, fühlte mich fortwährend wohler in den Kursen und konnte ein näheres Verhältnis zu den Dozent:innen aufbauen. Ich hatte viele praxisnahe Kurse, wie zum Beispiel analoges Fotografieren, creative writing oder Audioschnitt, was mir sehr gefiel. Es war mal eine Abwechslung zu dem theoretischen Fokus meines Studiums an der HHU. Meine Wohnung im Studierendenwohnheim habe ich nach und nach mit Flohmarkt-Funden dekoriert und sie wurde schnell zu einem echten Zuhause.

Fazit

Mein Auslandssemester ist nicht so geworden, wie zuvor erwartet und erhofft. Dennoch bin ich sehr glücklich, dass ich es gemacht habe. Für eine längere Zeit in einem anderen Land zu wohnen hat mir viele neue Perspektiven eröffnet und ich habe sogar ein neues Hobby für mich entdeckt: die Analogfotografie. Ich kann wirklich allen Student:innen dazu raten, einen Erasmus-Aufenthalt zu absolvieren. Es wird wahrscheinlich nicht so werden, wie erwartet, aber wenn ich eines sicher sagen kann, dann dass man es trotzdem nicht bereuen wird. Erwartungen müssen manchmal enttäuscht werden, um Raum für neue Realitäten zu schaffen, die manchmal sogar besser sind.

Redigat: mf