Kultur

„Identitti“– Talk mit Mithu Sanyal
Im Rahmen des Jubiläumsprogramms der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf organisierte das Institut für Germanistik gemeinsam mit dem Projektseminar von Dr. Katrin auf der Lake einen Talkabend mit der Autorin Mithu Sanyal. Die Veranstaltung wurde von Simone Saftig moderiert und mit Unterstützung der Gesellschaft von Freunden und Förderern der HHU realisiert. Rund 80 Gäste nahmen teil. Im Mittelpunkt stand der Roman „Identitti“, insbesondere dessen Setting an der HHU sowie die persönliche Verbindung zwischen Sanyal und Prof. Dr. Hans Georg Pott, ihrem Doktor-Vater, der ebenfalls bei der Veranstaltung anwesend war. Locker und humorvoll sprachen die beiden über alte Studienzeiten und gemeinsame Erinnerungen.
Sanyal, die an der HHU studierte und promovierte, erzählte, dass sie schon früh den Wunsch hatte, Romane zu schreiben. Doch vor 25 Jahren, so die Autorin, sei die deutsche Literaturlandschaft noch nicht bereit gewesen. „Wir haben schon eine Inderin“, sei unter anderem eine der Ablehnungen gewesen. Also blieb sie zunächst im akademischen Raum, wo sie mit offenen Armen empfangen wurde. Mit „Identitti“ wollte sie schließlich etwas Neues zur deutschen Literaturlandschaft beitragen. Besonders wichtig war ihr dabei der Schauplatz, weswegen die Wahl auf Düsseldorf fiel. „Ich wollte Oberbilk ein literarisches Denkmal setzen“, erklärte die Autorin. Während viele deutsche Romane in Berlin spielten, wollte sie zeigen, dass Literatur auch abseits der Hauptstadt Wurzeln schlagen kann. Düsseldorf sei dabei nicht nur Kulisse, sondern poetischer, politischer und persönlicher Identifikationsort.

Die HHU als literarischer Schauplatz
Im Roman spielt die Heinrich-Heine-Universität eine zentrale Rolle. Zahlreiche Orte auf dem Campus werden beschrieben, darunter die Heine-Statue und die Wiesen vor der Bibliothek. Die Autorin erinnert sich lachend, dass die Uni heute deutlich schöner sei als zu ihrer Studienzeit. Ihren damaligen Eindruck vom Campus beschreibt sie im Buch mit einem Augenzwinkern als eine Mischung aus Brutalismus und Parkhaus.
Dass der Abend vom Institut für Germanistik organisiert wurde, passte gut. Sanyal selbst hat dort studiert. Umso merkwürdiger sei es für sie heute, akademische Arbeiten über ihre eigenen Bücher zu lesen. Es gebe bereits mehrere Bachelor- und Masterarbeiten über „Identitti“. Diese zu lesen, sei eine Herausforderung. Man könne sich als Autorin nicht all die Gedanken machen, die später in einer literaturwissenschaftlichen Analyse auftauchten. „Leserinnen und Leser erschaffen das Werk“, sagte sie. Spannend sei es dann, zu sehen, was die Literaturwissenschaft daraus machen.
Akademische Begegnung und Identitätsfragen in der Studienzeit
Ein weiteres Thema des Abends war die enge akademische Verbindung zwischen Mithu Sanyal und Professor Dr. Hans Georg Pott. Er erinnert sich gut an die erste Begegnung mit ihr. Es war der erste Tag des Semesters, sie trug einen bunten Sari und sei ihm direkt im Gedächtnis geblieben.
Sanyal erklärte, das Sari-Tragen sei damals auch eine bewusste Aussage gewesen. Während ihres Studiums habe sie sich verstärkt mit ihrer Herkunft auseinandergesetzt. „Die Frage nach Identität gehöre zum Alltag von Studierenden“, sagte sie. In dieser Lebensphase habe man Zeit, sich mit dem eigenen Ich zu beschäftigen. Später sei das kaum noch möglich.
Auch die Entscheidung zur Promotion bei Dr. Pott habe mit dem großen Freiraum zu tun gehabt, den er geboten habe. Ihre Magisterarbeit, in der sie den Striptease als literarisches Bild analysierte, sei für sie Ausdruck dieser Freiheit gewesen. „Im Studium hatte ich immer das Gefühl, dass, solange ich wissenschaftlich schreibe, über alles schreiben durfte“, erklärte sie. Heute sei das an vielen Hochschulen kaum noch denkbar, sagte sie lachend, was ihr viel Zustimmung im Publikum einbrachte.

Zwischen Wissenschaft und Literatur
Im Zentrum des Abends stand auch die Frage, wie sehr Universität und Identitätsfindung miteinander verwoben sind. Mithu Sanyal betonte, dass die Studienzeit ein Raum sei, in dem man sich intensiv mit der eigenen Herkunft und Selbstwahrnehmung auseinandersetzt, und genau diese Erfahrungen würden sich in ihrem Roman „Identitti“ widerspiegeln.
Das Buch sei kein klassischer Campusroman, sondern ein fiktionaler Raum, der Identität, Herkunft und gesellschaftliche Erwartungen literarisch verhandelt. Für Sanyal war wichtig, ihre Figuren nicht bloßzustellen, sondern ihnen mit einem warmen, empathischen Blick zu begegnen, auch jenen, die kritisch erscheinen.
Eine zentrale Rolle spielt dabei die hinduistische Göttin Kali, die auch das Buchcover ziert. Kali sei für sie seit ihrer Kindheit ein Symbol für weibliche Stärke jenseits westlicher Normen. Sie kann ihr Geschlecht wechseln, Regeln brechen und Gewalt ausüben. Sie ist eine vielschichtige Figur, die im Roman präsent ist.
Auch über die anstehende Verfilmung von „Identitti“ wurde gesprochen. Der Film, produziert von Razor Film, sei bereits abgedreht und befinde sich in der Postproduktion. Zwar sei vieles im Drehbuch verändert worden, doch Sanyal zeigte sich gespannt auf die filmische Umsetzung.
Redigat: mf