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Kultur

Redaktion:
Ein blau-weißer Schal hängt über einem Geländer.
Liza ruft - Portrait einer jüdischen Partisanin (Foto: Pixabay)

Fania Bratiskoyja: Eine Geschichte der Hoffnung

Eine Analyse von Maximilian Kisters

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Liza ruft – Portrait einer jüdischen Partisanin ist die Geschichte eines aussichtslosen Kampfes. Und warum man trotzdem weiterkämpft.

Am 24.07.1941 ist Fania Yocheles-Brantsovskaya 19 Jahre alt. Die Wehrmacht treibt sie und ihre jüdische Familie aus der Stadt Vilnius in Litauen in eins der Ghettos. Sie beobachtet, wie litauische Nazi-Kollaborateure 70 000 jüdische Menschen ermorden. Fania beschließt schlussendlich zu kämpfen und stößt zu einer Gruppe von jüdischen Partisan:innen. Den zweiten Weltkrieg wird sie überleben. Sie wird nach Vilnius zurückkehren doch die Angriffe auf sie hören nicht auf.
Im Rahmen der kritischen Einführungswochen kam der Regisseur des Films Liza ruft – Portrait einer jüdischen Partisanin, Christian Carlsen an die HHU. Im Hörsaal 3E zeigte er den Film, den er mit seinem Team 2018 final veröffentlicht hat.

Die kritischen Einführungswochen wurden vom AstA organisiert. In den ersten zwei Wochen des Semesters kamen dabei verschiedene Aktivist:innen, Wissenschaftler:innen und andere Redner:innen für Vorträge, Diskussionen und andere Veranstaltungen an die HHU.

Im Film führt die 93-Jährige durch die Orte, an denen sich die prägendsten Szenen ihres Lebens abgespielt haben. Ihre Verwandten und Bekannten sprechen über das Leben der Frau. Eine Tochter von Fania wohnt ebenfalls in Vilnius und traute sich nicht, teil des Films zu sein.
Die Dreharbeiten gestalteten sich kompliziert. 2011 flog das Team zum ersten Mal nach Litauen. 2015 war die erste Fassung fertig. Einige weitere Änderungen führten dazu, dass die Fassung, die heute noch gezeigt wird, erst 2018 fertig gestellt wurde. Auch Fania selbst und ihr Umfeld wünscht sich in den ersten Fassungen Änderungen am Film.
Fania tritt im Film in mehreren Fassetten auf. Sie gerät in kleine Meinungsverschiedenheiten mit der Filmcrew, Passanten kommen vorbei und feinden sie regelrecht an. Fania ist auch heute noch eine politische Person.

Liza ruft! war der Name für einen Aufstand gegen die Wehrmachtssoldaten, den die Partisan:innen Gruppe, deren Teil Fania war, plante. Der Name kommt von Liza Magun, die von der Gestapo umgebracht wurde.
Dort schmuggelten Fania und die anderen Partisan:innen Lebensmittel und Waffen ins Ghetto. Wie viele andere Widerstandsgruppen verteilten sie Flugblätter und .
Sie und ihre Kameradin Doba Debeltov wurden beauftragt mit sowjetischen Partisan:innen in den Wäldern Kontakt aufzunehmen. Schon als die beiden gehen ist ihnen klar: Das Ghetto, in denen auch ihre Familien untergebracht sind, wird liquidiert.
Da trafen sie auf sowjetische Partisan:innen, schlossen sich ihnen an und kämpften zwischen dem 25.09.1943 und dem 08.07.1944 gegen die Wehrmacht. Sie waren in den Wäldern unterwegs und sprengten beispielsweise Schienen, um die Nazis und die Nazi-Kollaborateure in die Flucht zu schlagen.
Als die Nazis schlussendlich den Krieg verlieren kehrte Fania nach Vilnius zurück. Noch heute lebt sie dort und macht Aufklärungsarbeit über den Holocaust. Bis vor wenigen Jahren ist sie noch viel gereist. Trat bei Panel-Diskussionen auf und gab Touren durch die ehemaligen Ghettos.

„sowjetischen Terroristen“

In Litauen wird die Geschichte jedoch anders erzählt. Einige Revisionist:innen feiern die Nazi-Kollaborateure noch heute. 2008 dann der Schock für Fania. Ein Fehler in einem Buch einer ehemaligen Kameradin führt dazu, dass Fania von litauischen Zeitungen beschuldigt wird, an einem Kampf litauischer Nazi-Kollaborateure gegen die Sowjetischen Soldaten beteiligt haben. Sie soll auf sowjetischer Seite gekämpft haben und wird als Kriegsverbrecherin diffamiert.
„Jüdische Bolschewisten“ hätten den „red Holocaust“ verübt. Das erzählen zumindest antisemitische Geschichtsrevisionist:innen. In einem Zeitungsartikel wird gefordert, dass Fania sich vor einem Gericht verantworten solle. Mit 86 Jahren wird Fania Opfer einer rechten Hetz-Kampagne.
Die internationalen Botschafter:innen und einflussreiche Freund:innen von Fania sprechen sich für sie aus. Auch Deutschland unterstützt sie und verleiht ihr das Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. Zunächst wird sie in Ruhe gelassen. Doch die internationale Gemeinschaft hat irgendwann keine Medaillen mehr, die sie zeremoniell überreichen können. Die Aufmerksamkeit der Botschafter bleibt nun mal nicht Jahre lang auf Fania. Trotzdem hegen noch genug Leute in Litauen weiterhin Antipathien gegen sie.

Sie wird weiterhin zu wichtigen Gedenkfeiern eingeladen, doch die Stimmung ist angespannt. Sie ist in ihrer Rolle als Zeitzeugin, die im Widerstand gegen die Nazis war, da. Gleichzeitig wird sie von hochrangigen Politikern geächtet.
Doch der Film erzählt nicht nur die Geschichte einer Frau, die den unwahrscheinlichsten Kampf gewonnen hat. Er zeigt, dass Antisemitismus ein Problem bleibt – auch nach der NS-Zeit. Er führt vor, was die Gefahren des Geschichtsrevisionismus und schlechter Aufarbeitung der Vergangenheit sind. Er zeigt, wie unbequem Aktivismus sein muss.
Genau dazu ruft der Film auf. Die Gefahren des Antisemitismus und Rechtsextremismus sind noch immer präsent. Und sie zu bekämpfen sind wir mindestens den Opfern der Vergangenheit schuldig.