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Kultur

Auf dem Bild sieht man die beiden Hauptcharaktere Mr.Chow und Mrs.Chan, welche beide im Taxi sitzen (Foto: Plaion Pictures).
"In The Mood for Love" feiert 25.Jähriges (Foto:Plaion Pictures)

Ein filmisches Meisterwerk feiert 25-jähriges

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Sanfte Blicke, verblasste Erinnerungen und schwere Tränen. Dank seiner unverwechselbaren, melancholischen Atmosphäre und traumgleichen Bilder haben Zuschauer:innen den Film „In the Mood for Love“ tief in ihre gebrochenen Herzen geschlossen. Dieses Jahr feiert das Meisterwerk sein 25tes Jubiläum und kehrt daher zurück auf die ganz große Leinwand.

Zwei einsame Schatten schleichen gemeinsam durch die leeren Gassen Hongkongs. Die respektvolle Distanz zwischen ihnen verrät keine möglichen Tabubrüche. Immerhin sind sowohl Mr. Chow (Tony Leung) als auch Mrs. Chan (Maggie Cheung) längst mit anderen Leuten verheiratet. „Es ist spät, wird Ihre Frau sich nicht beschweren?“, fragt Mrs. Chan in einem verführerischen Tonfall. Mr. Chan entgegnet entschlossen: „Nein, sie ist das gewöhnt.“ Nur wenige determinierte Schritte später fasst er ihre Hand: „Wollen wir heute Nacht wegbleiben?“

Sie tritt enttäuscht von ihm weg: „So etwas würde mein Mann nie sagen“. Die Illusion zerspringt mit einem tränenden Wimpernschlag. Denn Mr. Chow und Mrs. Chan hatten gar nicht versucht, sich gegenseitig zu verführen. Stattdessen spielten sie nach, wie ihre untreuen Eheleute ihre Affäre miteinander gestartet haben könnten. Das ist die schmerzhafte Ausgangssituation in Wong Kar Wais Meisterwerk „In The Mood for Love“, welches dieses Jahr seinen 25ten Geburtstag feiert. Nach ein paar Auffälligkeiten (gleichzeitige Abwesenheiten, ähnliche Ausreden und Anderes) im privatsphärelosen Hongkong der 1960er entdecken die beiden melancholischen Protagonist:innen, dass ihre Eheleute sie betrügen. Nach anfänglichen verbitterten Versuchen, die Ursprünge der Affären gemeinsam zu finden, kommen sie sich plötzlich selbst näher.

Die Gründe „In The Mood for Love“ zu lieben, stolpern förmlich übereinander – so wie die Nachbar:innen in dem viel zu engen Apartmentkomplex im Film. Der wohl offensichtlichste Grund ist aber die traumgleiche Schönheit, die in jeder Facette von „In The Mood for Love“ wiederzufinden ist. Beginnend bei den umwerfend elegant aussehenden Hauptdarsteller:innen Tony Leung und Maggie Cheung. Tony Leung zieht stets einsam und stilvoll mit Zigarette und Anzug durch die engen Gassen Hongkongs und Maggie Cheung nimmt mühelos jeden Raum mit ihren dauerhaft wechselnden Cheongsams (klassisches chinesisches Frauenkleid) ein. Dazu werden die beiden auch noch vom inszenatorischen Dream-Team um die Hongkonger Regie-Legende Wong Kar Wai und den langjährigen Kamerakollaborateur Christopher Doyle in Szene gesetzt. Das Resultat daraus wirkt wie eine hoffnungslos romantische Erinnerung, die in der Schönheit ihrer akzentuierten Rot-Töne und ruhigen Kamera ertrinkt. Der Schnitt untermauert dieses Gefühl. Es scheint, als würde man diese Geschichte nicht völlig ungefiltert erleben, sondern man schaue eher eine verblasste Erinnerung.  Oft werden Erklärungen für Szenen schlicht weggelassen. Genau wie in der Schilderung der oben genannten Szene werden die Zuschauer:innen im Film ins kalte Wasser geworfen. Sie sehen, wie sich Mrs. Chan und Mr. Chow anscheinend verführen wollen, doch erst am Ende des Gespräches erkennen die Zuschauer:innen an Mrs. Chans plötzlicher Reaktion, dass Betrogenen tatsächlich nur eine mögliche Begegnung ihrer Eheleute imitieren. Dies passiert andauernd im Film. Wie in einer Erinnerung oder einem Traum, werden alle unnötigen Erklärungen, die man eh schon im Hinterkopf hätte, übersprungen, und man springt stattdessen direkt in den schmerzhaften, nostalgischen oder allgemein affektreichen Teil der Erinnerung. So fallen die Zuschauer:innen zusammen mit den Protagonist:innen durch eine sich dauernd wiederholende Biografie an Sehnsucht und Begierde.

Denn im Kern zeigt „In the Mood for Love“ zwei Menschen, die unbedingt ihren Routinen entfliehen müssen. Immer wieder sehen die Zuschauenden die gleiche Siemens-Wanduhr, die gleichen engen Gänge, die gleichen Arbeitsplätze und werden dabei beschallt vom selben betäubend schönen Geigenstück (Yumeijis Theme). Denn Wong Kar Wai benutzt die sich wiederholenden Schauplätze, um einen Kontrast zu den verändernden Emotionen von Mrs. Chan und Mr. Chow zu schaffen. „In the Mood for Love“ ist wie ein langsamer Walzer zweier verletzter Tänzer. Ein poetischer Tanz, der mit jeder Umdrehung schmerzhafter wird. Die überwältigende Sehnsucht, die beide Protagonist:innen fühlen, wird mit höchster Rückhaltung kommuniziert. Statt bombastischen Liebeserklärungen und befreienden Küssen à la Hollywood, bekommt man in „In the Mood for Love“ eine Liebesgeschichte, die mit dem subtilen Funkeln in den Augen von Mrs. Chan und gestohlenen Blicken von Mr. Chow erzählt wird.

Fast 25 Jahre ist die Erstaufführung von Wong Kar Wais Meisterwerk nun her, und dennoch scheint die zeitlose Melancholie von „In the Mood for Love“ nie seinen festen Griff um sein Publikum verloren zu haben. So zeigen Kinos in New York den Film in den kommenden Wochen teils bis zu fünfmal täglich, um dem öffentlichen Ansturm standhalten zu können. Aktuell sind zum Geburtstag des Films leider nur Vorstellungen in London und New York angekündigt. Da die Düsseldorfer Filmkunstkinos den Film aber schon zu seinem 20ten Jubiläum zeigten, besteht weiterhin Hoffnung. Auch wenn das Heimkino zwar oft nicht mit der großen Leinwand mithalten kann, kann man den Film bis dahin zu Hause für ein paar Euro im Stream auf Amazon und Apple TV erleben – auf der Arthouse-Streaming-Plattform Mubi ist der Film sogar kostenlos verfügbar.

Redigat: mf