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Kultur

Redaktion:
Auf dem Foto sind von links nach rechts, Autor Dean Atta, Dr. Bettina Burger und Dr. Hannah Pardey mit der englischen Ausgabe von Der Schwarze Flamingo zu sehen.
Autor Dean Atta (l.) und Dr. Hannah Pardey (r.) mit der englischen und deutschen Ausgabe von Der Schwarze Flamingo. In der Mitte Dr. Bettina Burger mit Dean Attas Memoiren Person Unlimited (Foto: Valeska Ridzewski)

Der Schwarze Flamingo: Dean Atta im Gespräch

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Am 5. Mai sprach der britische Autor Dean Atta im Haus der Universität über die (Un-)Sichtbarkeit von Black LGBTQ+ Autor:innen in der heutigen Verlags- und Übersetzungsbranche.

Im Zentrum des Gesprächs stand Attas mehrfach ausgezeichnetes Werk The Black Flamingo (2019), das 2023 unter dem Titel Der Schwarze Flamingo ins Deutsche übersetzt wurde. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Bettina Burger und Dr. Hannah Pardey vom Institut für Anglistik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Neben Lesungen von Gedichten aus seinem Versroman bot die Veranstaltung auch Raum für Fragen aus dem Publikum. Die Diskussionsrunde, die auf Englisch stattfand, wurde von rund 20 Personen besucht. Gefördert wurde die Veranstaltung von der GFFU (Gesellschaft der Freunde und Förderer der Universität Düsseldorf).

Zum Buch

Der Schwarze Flamingoerzählt die Geschichte von Michael, einem schwulen Teenager mit griechisch-zypriotischen und jamaikanischen Wurzeln, der in London aufwächst. Er fühlt sich zwischen verschiedenen Kulturen hin- und hergerissen und sucht seinen Platz in der Welt. Durch die Entdeckung der Drag-Szene findet er schließlich zu sich selbst und erschafft sein Alter Ego: den Black Flamingo. Das Buch behandelt Themen wie Identität, Herkunft, Sexualität, Zugehörigkeit und Selbstakzeptanz.

Der Schwarze Flamingo

„Ich bin zum ersten Mal in Düsseldorf und habe eine großartige Zeit“, sagte Dean Atta zu Beginn der Veranstaltung und zeigte sich direkt offen für Fragen aus dem Publikum. Im Gespräch sprach er über den Entstehungsprozess seines Debütromans. „Anfangs gab es nur eine vage Idee, die eigentliche Geschichte hat sich erst beim Schreiben entwickelt“, erklärte er. Dabei habe er bewusst mit der Form experimentiert. Einige Gedichte stehen für sich, andere fließen nahtlos ineinander über.

Ein zentrales Thema war die visuelle Gestaltung des Buches. „Motiven wie Flamingos, Eiern oder Schlangen, die im Text wichtig sind, wollten wir auch bildlich Raum geben“, erklärte Atta. Schwarze Seiten mit weißer Schrift markieren besonders ernste Passagen, etwa zu Rassismus und sind eine bewusste stilistische Entscheidung. „Ich habe die Illustratorin erst am Tag der Veröffentlichung getroffen“, erzählte er lachend. „Vorher kannten wir uns nur über Instagram.“

Tier-Metaphern und Drag

Während Dean Atta an Der Schwarze Flamingo schrieb, besuchte er parallel einen Drag-Kurs. „Ich war dreißig, als ich zum ersten Mal in Drag aufgetreten bin“, erzählt er. In seinem Buch wollte er zeigen, dass es etwas Positives sein kann, eine queere, ausdrucksstarke Persönlichkeit zu sein.

Atta wuchs christlich auf, was sich auch in den Symbolen in seinem Buch widerspiegelt. Tiere wie Schlangen erinnern an den Garten Eden und zugleich greift er mythologische Motive wie Medusas Schlangenhaare auf.

Daneben spielen auch Tiere aus seiner alltäglichen Umgebung eine Rolle, etwa Möwen aus seiner Heimatstadt. „Aber Tauben gibt es keine“, sagte er schmunzelnd, „obwohl ich in London gelebt habe.“ Die Zusammenarbeit mit der Illustratorin an Der Schwarze Flamingo inspirierte ihn schließlich auch dazu, Bilderbücher zu schreiben. „Ich wollte meine Arbeit in Bildern sehen“, erklärte er.

Kommt bald eine Verfilmung?

Auch eine mögliche Verfilmung von Der Schwarze Flamingo kam zur Sprache. Atta berichtete, dass bereits konkrete Gespräche über eine Adaption geführt worden seien. Allerdings hätten ihn die vorgelegten Drehbuchentwürfe nicht überzeugt: „Viele wollten schnell in der Zeit vorspulen, wodurch zentrale Erlebnisse aus der Kindheit der Figur weggefallen wären“, erklärte der Autor.

Der Roman beginnt mit dem sechsjährigen Michael, eine bewusste Entscheidung des Autors. Ursprünglich habe er geplant, die Geschichte über Rückblenden zu erzählen. Doch schließlich entschied er sich dafür, direkt in der frühen Kindheit einzusetzen. „Ich wollte zeigen, wie ein Kind diese queere Realität und Identität erlebt“, so Atta. Das Auslassen dieser frühen Erfahrungen hätte die Tiefe und Entwicklung der Figur grundlegend verändert.

Der Autor Dean Atta

Dean Atta ist ein schwarzer britischer Autor aus London mit griechisch-zypriotischen und jamaikanischen Wurzeln. Er schreibt Lyrik, Romane und Sachbücher für alle Altersgruppen. Bekannt wurde er mit dem Jugendroman The Black Flamingo (Der schwarze Flamingo), der u.a. den Stonewall Book Award gewann. Weitere Werke sind Only on the Weekends, I Can't Even Think Straight sowie das Memoir Person Unlimited. Er ist zudem Drehbuchautor des Films Two Black Boys in Paradise.

Buchverbannungen und Sein „Ich“

Atta betonte, dass Der Schwarze Flamingo zwar von eigenen Erfahrungen inspiriert sei, aber keine genaue Darstellung seines Lebens ist. Auch wenn der Name Michael von seinen eigenen Mittelnamen inspiriert ist.  „Ich habe bei dieser Geschichte viel mehr Kontrolle als in meiner eigenen Kindheit und Jugend“, erklärte Atta. „Ich wähle bewusst aus, was ich erzähle. Und was ich weglasse, ist ebenfalls bedeutend.“ Er habe als Autor die Macht, Dinge besser zu machen, etwa eine bessere Reaktion auf einen Mobbing-Vorfall oder eine bessere Beziehung zu seiner Mutter. Wer die ganze Wahrheit wissen wolle, solle seine Memoiren lesen, so Atta mit einem Schmunzeln.

Ein weiteres Thema war das Verbot seines Buches in Amerika. In den USA wurde Der Schwarze Flamingo bislang nur in zwei Bundesstaaten verboten. Als das Buch herauskam, gab es die aktuelle Welle von Buchverboten in den USA noch nicht. „Aber ich hätte es auch nicht entschärft“, betont Atta. Selbst wenn er damals schon gewusst hätte, dass sein Buch möglicherweise verboten werden könnte. Obwohl es sich um ein Jugendbuch handelt, spricht Atta über wichtige Themen wie Drogenkonsum, Sex und Sicherheit beim Online-Dating. All diese Themen werden im Buch nicht verherrlicht, sondern haben immer Folgen, etwa ein Ohnmachtsanfall nach dem Drogenkonsum oder das Erkennen von Risiken bei der Nutzung von Dating-Apps.

Atta über seine Arbeit an Schulen

Neben seiner Arbeit als Autor arbeitet er in Schulen, wo er Schreibworkshops leitet und Kinder dazu anregt, eigene Gedichte zu verfassen. „Ich gebe ihnen nur eine Struktur, mit der sie ihr eigenes Gedicht schreiben können“, sagte Atta. Er betont, wie wichtig es sei, Kindern Zeit zu geben, um über sich selbst zu schreiben. Er gebe oft positives Feedback, arbeitet teilweise über längere Zeiträume an Schulen und veröffentlicht anschließend gemeinsam mit den Schüler*innen ein Buch mit den entstandenen Texten. „Ich kann vorleben, wie es ist, Schriftsteller zu sein und anderen ermöglichen, das auszuprobieren“, sagte Atta.

Übersetzung und Queere Stimmen

„Die meisten Übersetzer*innen meiner Bücher sind schwarz und queer, das war den Verlagen wichtig“, erklärte Atta. Die Übersetzungen von Der Schwarze Flamingo starteten im Jahr 2020, also während der Black-Lives-Matter-Bewegung. Das Buch wurde bereits in mehrere Sprachen übersetzt. Darunter Deutsch, Portugiesisch, Polnisch, demnächst soll auch eine walisische Ausgabe erscheinen. „Ich wünsche mir sehr eine griechische Übersetzung“, sagte Atta, „weil im Buch Griechisch vorkommt und ich würde gerne sehen, wie das übersetzt wird.“ Mit jeder Übersetzung, werde im Grunde auch eine neue Version der Geschichte geschaffen, so Atta.

Kein Romantisches Ende?

„Es geht um Selbstliebe, die wichtigste Beziehung ist die zwischen Michael und Daisy“, sagte Atta. Auch in Michaels Beziehungen im Verlaufe des Buches wollte er zeigen, dass Selbstliebe vor jeder Beziehung kommen sollte. Ursprünglich sollte das Buch mit dem Drag-Auftritt enden, doch Atta spürte, dass noch etwas fehlte. So endete er mit dem Gedicht How to Come Out.