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Ein Hörsaal ist zu sehen mit einer Leinwand
Kim Possters Aussagen trafen auf viel Zuspruch (Foto: Valeska Ridzewski)

Kritik der Männlichkeit - ein Vortrag von Kim Posster

Ein Beitrag von Valeska Ridzewski

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Feminismus und Männlichkeit sind Themen, die häufig nicht im Zusammenhang besprochen werden – der Feminist und Publizist Kim Posster klärte am vergangenen Mittwoch über das Konzept der Männlichkeit auf. Das Frauenreferat und das Antifaradis (Referat gegen Faschismus, Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung des AStA der HHU Düsseldorf) hatten zu der Veranstaltung eigeladen.

Wer sich schonmal Gedanken um Männlichkeit und die patriarchale Gesellschaft gemacht hat, wird der Feministischen Kritik an Männlichkeit schon mal begegnet sein – toxische Männlichkeit, „Alpha“-Männer etc. Diese Kritik baut auf der Prämisse auf, dass es gute und schlechte Männlichkeit gäbe. Kim Posster geht diese Kritik an der Männlichkeit nicht weit genug. Er vertritt dabei eine radikale Position: In einer feministischen Gesellschaft, die sich von patriarchalen Herrschaften gelöst hat, gäbe es keinen Platz mehr für Männlichkeit.

Posster legt dar, dass das Konzept von Männlichkeit immer voraussetzt, dass Männer in der Gesellschaft höher angesehen sind als Nicht-Männer. Außerdem gibt es auch laut Posster innerhalb der Kategorie Mann eine Unterteilung zwischen „richtigen Männern“ und „unmännlichen Männern“ - häufig werden schwule oder Trans-Männer so gesehen. Er verweist dabei auf den ständigen Konkurrenzkampf zwischen Männern, wie sie unterbewusst ihre Männlichkeit untereinander checken. Wer ist kompetenter mit Frauen? Im Leben generell? Oder auch schon bei etwas Banalem wie: „Wer weiß am meisten über Musik?“ Dies führe dazu, dass Männer selbst unter Männlichkeit leiden, wenn sie nicht dem entsprechen, was die „richtigen Männer“ als männlich ansehen. Sie stehen in der Hierarchie der Männlichkeitslogik unter ihnen. Doch, so erklärt Posster, die meisten Männer, die nicht zu der Kategorie der „richtigen Männer“ gehören, würden nicht den gedanklichen Sprung machen und anerkennen das diese Kategorien völlig ausgedacht sind und es besser wäre, wenn es eine gleichberechtigte Gesellschaft geben würde. Die meisten Männer würden sich eher Gedanken darum machen wie sie den Status einen „richtigen Mannes“ erreichen können.

Kim Posster ist 30 Jahre alt, kommt aus Leipzig und arbeitet an einem feministischen Forschungsprojekt. Dabei konzentriert er sich auf das Konzept der Männlichkeit, feministische Kritik und die feministische Bewegung. Er führt zusammen mit anderen Männer den Blog Kritische Männlichkeit?! Außerdem ist er als Publizist tätig und schreibt für Konkret, Jungle World, Analyse & Kritik.

Um das Konzept von vorherrschender Männlichkeit zu verstehen und angehen zu können müsse man sich vor allem das System der Gesellschaft ansehen, so Posster. Er argumentiert, dass die kapitalistische Gesellschaft Männlichkeit fördere, weil diese Konzepte sich gegenseitig schützen würden. Um in der Gesellschaft ein aktives Mitglied zu sein, müsse man zwei Bedingungen erfüllen 1. Staatsbürger:in und 2. Warenbesitzer:in sein. Bei beiden dieser Bedingungen handelt es sich historisch um "Männer-Sachen". Frauen mit deutscher Staatsbürgerschaft dürfen erst seit 1918 wählen und erst seit 1977 unabhängig von der Zusage eines Mannes arbeiten gehen. Selbst nach der rechtlichen Angleichung, werden der Besitz von Kapital und Staatsbürgerschaft meist als Männer-Domänen angesehen. Im Kapitalismus würde Arbeitskraft ausgebeutet werden, doch dies beginne schon in der Familie. Frauen sollen weitere Warenbesitzer schaffen und sich, meist gehaltsfrei, um diese kümmern. Es mache keinen Sinn darüber zu reden, ob Männer Männlichkeit ablegen sollen, wenn die Gesellschaft es darauf anlege, dass Männer Warenbesitzer sind, also aktiv am Markt teilnehmen und Frauen die Marktteilnehmer versorgen. „Um auf dem Jobmarkt zu überleben streben Frauen auch häufig nach Männlichkeit“ sagt Posster. In einer Gesellschaft in der „männliche“ Attribute, vernünftig und selbstbestimmt sein, rational argumentieren etc., im Jobmarkt bevorzugt werden, würden auch Frauen versuchen weniger weiblich zu wirken. Doch da würde es wieder eine Doppelmoral geben. Paradoxerweise, würde wenn eine Frau sich maskuliner verhält sie oft als unweiblich und „bossy“ bezeichnet, ist sie jedoch „weiblich“, in diesem Kontext passiv oder untergeordnet, werde sie oft als nicht kompetent genug angesehen.

„Männer hassen Frauen für das Begehren, dass sie in ihnen auslösen“ – Sozialforscher Professor Rolf Pohl

Ein zentraler Teil der Männlichkeit, so Posster, sei die Sexualität und die Dominanz die Männer bei dieser ausüben wollen. Männer fühlen sich von Weiblichkeit angezogen wollen sich aber von ihr abgrenzen. Dies wird auch das Männlichkeits-Dilemma genannt. Der Mann will sich abgrenzen von Aspekten der Weiblichkeit braucht aber Weiblichkeit, um seine Männlichkeit zu produzieren. Wenn dies Ihnen untersagt wird, reagieren Männer häufig mit Unverständnis oder sogar Aggression und noch stärkerer Ausübung ihrer Männlichkeit. Häufig zeigen dann die Männer mit dem Finger auf die Frauen und beschuldigen sie. Man habe sie verführt und nun würde die Frau nicht das tun, was sie versprochen hätte. Diese paranoide Angst das Weiblichkeit seine Sexualität angreifen könnte, führt bei Männern zu dem Bedürfnis Weiblichkeit kontrollieren zu wollen.

Auch Täterschutz würde so in diesem Zusammenhang entstehen, das unterschwellig sich die Männer mit dem Täter auf eine Weise identifizieren können. Dann käme es zu ganz offenem oder auch passivem „Der ist eigentlich nicht so“-, „Vielleicht hat er die Signale falsch verstanden“-Täterschutz.

Posster betont also, dass die häufige Diskussion über Männlichkeit sehr oberflächig sei, und man solle sich eher darauf konzentrieren, wie Strukturen Männlichkeit unterstützen und produzieren und sich Gedanken machen wie es überhaupt zu so einem vorherrschenden Männlichkeitsverhältnissen gekommen ist. Generell fand dieser Blick auf Männlichkeit im Hörsaal 3E am Mittwochabend Zuspruch und Anklang. In der auf den Vortrag folgenden Diskussion einigte man sich außerdem, dass Männer erst dann als wirklich feministisch bezeichnet werden können, wenn sie sich auch so verhalten. Eine positive Grundeinstellung zur Gleichberechtigung sei schön und gut, doch müssen auf Worte auch Taten folgen.