Kreatives

Es war Mitternacht
„Es war Mitternacht“ ist eine fiktive Kurzgeschichte aus dem Thriller-Genre. Sie handelt von einem Mann, der auf dem Balkon eines mehrstöckigen Gebäudes steht – mit einer bestimmten Mission.
Es ist Mitternacht. Meine Aufgabe ist es, eine Arbeit zu erledigen, ohne unnötige Fragen zu stellen. So wie ein Computer, von dem erwartet wird, dass er problemlos funktioniert. So wie ein Programm, welches ohne Verzögerung einen Befehl ausführt. Wenn man nach unten blickt, scheint alles, was dort passiert, so unbedeutend zu sein. Man fühlt sich von den täglichen Problemen befreit, und der Wind ist der Einzige, der auf meiner Ebene ist. Der Wind hat einen schwierigen Charakter, die Hauptsache ist, dass man nicht mit ihm streitet. Wenn man Glück hat, und sich mit ihm anfreundet, wird er einen unterstützen und sogar Empfehlungen geben. Es gibt einem, ein seltsames Gefühl der Überlegenheit und Entlassung. Die Luft ist einerseits kalt, andererseits jedoch so warm und beruhigend. Das Kristallglas mit Whiskey steht auf einem billigen Tisch aus Plastik, den man normalerweise in Motels findet. Ich sitze aber auf einem Stuhl, der zum Glück nicht aus Plastik ist, sondern aus Holz. Diese Unvereinbarkeit des Stuhls mit dem Tisch machte mich wütend. Aber ich muss ruhig und konzentriert sein. Ich mag es, durch die Fenster anderer Häuser zu schauen. Jedes Fenster ist eine neue Geschichte: neue Charaktere und eine neue Umgebung. In manchen Häusern sind die Fenster klein, aber in anderen sind sie groß und gehen sanft in die Tür über, die zum Balkon führt. Es gibt mehrere Charaktere, die sich unterhalten. Aber ich will es finden. Etwas oder jemanden, der nicht wie alle anderen ist. Die Figur soll hervorragend sein, und interessanter als andere. Manchmal brauchst du nur einen Blick, um eine Figur einzuschätzen. Du musst gar nicht mit ihr reden. Du brauchst ihr nicht zu hören. Du musst sie nur anschauen und du weißt schon alles über sie. Das lernt man mit der Zeit. Die Menschen sind nicht so individuell, wie es uns in der Schule erzählt wurde. Als ob sie programmiert werden, um zu jener Gruppe zu gehören. Es scheint sogar, als ob sie gar nicht lebendig sind, da sie sich wie Puppen verhalten. Ich muss aber, so wie ein Programm, den Fehler im System finden. Und wenn man von all diesen Puppen diese eine Puppe findet, fühlt man sich wie an Weihnachten. Es ist Mitternacht. Ich habe den Hauptcharakter gefunden. Die Figur steht da: elegant, gut gekleidet, mit einem Hollywood Lächeln und trinkt Rotwein, halbtrocken. Die Flasche steht hinter der Figur auf dem Quarztisch. Langsam, ohne Eile, genießt der Hauptcharakter den Geschmack und die Aufmerksamkeit von den Mädels. Jede lächelt den Hauptcharakter an, hört ihm aufmerksam zu und versucht, ihm näherzukommen als die anderen. Das muss ein magischer Wein sein. Die ganze Aufmerksamkeit ist auf ihn gerichtet, als ob die Hauptfigur auf einer Bühne stehen würde. Sogar das Licht im Raum ist so gestaltet, dass die Hauptfigur besser beleuchtet ist, als alle anderen. Ich kann mich aber nicht beschweren. Ich beobachte den Hauptcharakter sehr aufmerksam. Unerwartet, kommt der Wind an meine Seite, flüstert mir ins Ohr und lenkt mich ab. Ich höre ihm zu. Ich sehe den Hauptcharakter mit dem Weinglas. Es ist so still hier oben, so gemütlich und … ruhig …
Die Atmosphäre änderte sich schnell. Die Leute waren nicht so fröhlich und locker wie noch vor kurzem. Es gab eine Panik, und niemand wusste, was passierte, außer mir natürlich. Das Glas Wein und die Flasche fielen herunter. Das Glas platzte wie eine Seifenblase. Der weiße Teppich wurde rot gefärbt. Ich trank meinen Whiskey, und warf den Tisch aus Plastik vom Balkon. Jetzt fühlte ich mich viel besser. Es war Mitternacht. Meine Aufgabe war es, eine Arbeit zu erledigen, ohne unnötige Fragen zu stellen. So wie ein Computer, von dem erwartet wird, dass er problemlos funktioniert. So wie ein Programm, welches ohne Verzögerung einen Befehl ausführt.
