Ein Liebesbrief an den Karneval

Lieber Karneval,

lange ist es her, oder? Viel zu lang für meinen Geschmack. Das letzte Mal, vor ungefähr einem Jahr. Aber dafür ist meine Vorfreude jetzt riesig, das kannst du mir glauben!

In den letzten Wochen habe ich mir Gedanken über mein Kostüm für unser Treffen gemacht, und da habe ich auch nochmal unsere gemeinsamen Jahre Revue passieren lassen. Und mir ist aufgefallen, wie viel wir eigentlich schon so miteinander erlebt haben. Und trotzdem bekomme ich wahrscheinlich nie genug von dir.

Aber kannst du dich eigentlich noch an alle unsere Geschichten erinnern?

Also ich erinnere mich noch besonders gut an das eine Mal, als ich für dich einige lange Stunden auf dem Fußboden verbracht habe, um mir ein Kostüm zu nähen. In Jogginghose und Kuschelsocken, auf so einem echt unbequemen Kissen. Um eine Hose zurechtzuschneiden, Taschen anzunähen und Glitzersteine aufzukleben. Und ich mir dabei unzählige Mal mit der Heißklebepistole fast die Finger zusammengeklebt, und mit einer Nadel die Handflächen blutig gestochen habe. Das Endergebnis war schon Laufstegreif. Ich war eine Fee. Zwar eine mit einer falsch zusammengenähten Hose, aber erkennen konnte man die Fee trotzdem.

Und dann das Jahr, an dem meine Freundinnen und ich als Krümelmonster verkleidet waren. Wir haben von jedem Kekse geschenkt bekommen, weißt du noch? Jetzt wo ich so drüber nachdenke… Ich sollte das Kostüm echt öfter tragen.

Welches Jahr wir vielleicht lieber vergessen sollten, ist das, wo ich die Hälfte der Zeit im Krankenhaus verbracht habe. Und zwar nicht, weil ich einen über den Durst getrunken, sondern mir beim tanzen meinen Arm ausgekugelt hatte. Sprechen wir lieber nicht mehr drüber.

Sprechen wir lieber über das Jahr, an dem meine Karnevalsgruppe und ich in unserer Stadt für das schönste Kostüm ausgezeichnet wurden. Wir waren M&Ms; alle in einer anderen Farbe. Ich war ein blaues, denn die schmecken auch am besten. Und wir nach der Preisverleihung bis spät in die Nacht getanzt und gesungen haben.

Was ich dir, lieber Karneval, sagen will: ohne dich, hätte ich eindeutig weniger wunderschöne Erinnerungen.

Denn, für mich bedeutest du nicht, mit einer Clownsnase durch die Gegend zu laufen, und sich so richtig daneben zu benehmen.  Für mich bedeutest du Freude und Offenheit. Die Freude, mit FreudInnen zu schunkeln und laut zu singen: „Alle Jläser huh“. Du bringst die Zeit der wunderschönen und aufwändigen Kostüme. Mit dir, kann ich das Leben mal so richtig unbeschwert zu genießen. Für mich, bedeutest Toleranz, denn wenn ich mit Fremden im Kostüm tanze, dann sind wir alle gleich. Du bist Musik: Musik die das Leben liebt. Für mich bedeutest du Heimat und Lokalpatriotismus. Weswegen ich mir niemals eine Stadt zum Studieren ausgesucht hätte, in der es dich nicht gibt.

Aus meinem Leben bist du einfach nicht wegzudenken.

Deine Amelie