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Zu sehen ist das ehemalige Südwestafrika – das heutige Namibia – auf einer alten Weltkarte.
Zu sehen ist das ehemalige Südwestafrika – das heutige Namibia – auf einer alten Weltkarte. (Foto: Alissa Riedlinger)

Kolonialverbrechen in Namibia – 118 Jahre sind vergangen

Alissa Riedlinger

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Durch die Gewalttaten in Namibia kamen rund 85.000 Menschen ums Leben. Die deutschen Kolonialisten rotteten zwei ethnische Völker zu großen Teilen aus. Mit der Anerkennung des Völkermordes an den Herero und Nama, gestand die Bundesrepublik im Mai 2021 ihre Schuld an den grausamen Verbrechen ein. Gleichzeitig bat sie die Nachkommen der Völker um Vergebung.

Scheinbare Einigung nach Jahren der Verhandlung

Am 28. Mai 2021 glaubten die namibische und die deutsche Regierung nach jahrelangen Debatten eine Einigung erreicht zu haben. „Ich bin froh und dankbar, dass es gelungen ist, mit Namibia eine Einigung über einen gemeinsamen Umgang mit dem dunkelsten Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte zu erzielen.“, kommentierte der damalige Außenminister Heiko Maas den Abschluss der Verhandlungen. Ihr Ziel sei es gewesen, einen gemeinsamen Weg zur Versöhnung zu finden. Ein Teil davon sei es, die grausamen Taten in der deutschen Kolonialzeit klar zu benennen. Dabei verwies er insbesondere auf die Verbrechen an den Herero und Nama zwischen 1904 und 1908. „Wir werden diese Ereignisse jetzt auch offiziell als das bezeichnen, was sie aus heutiger Perspektive waren“, erklärte Maas. „ein Völkermord.“ Darüber hinaus wolle die Bundesregierung Namibia mit 1,1 Milliarden Euro unterstützen. Die Summe sei ein Zeichen dafür, dass die Bundesrepublik das ertragene Leid der Opfer anerkennt. Das Geld solle genutzt werden, um Namibia wiederaufzubauen und weiterzuentwickeln. Doch das gemeinsame Abkommen wurde nicht unterzeichnet, denn die Nachkommen der Herero und Nama protestierten – gegen das Ergebnis der Verhandlungen und gegen das Verfahren selbst.

Vereinbarungen seien eine „Beleidigung“ Namibias

„Die Anerkennung von Seiten Deutschlands, dass ein Völkermord begangen wurde, ist der erste Schritt in die richtige Richtung“, erklärte ein Sprecher des Präsidenten Hage Geinob der Nachrichtenagentur AFP im Mai letzten Jahres. Trotz dieser positiven Einschätzung seitens der Regierung, übte die Opposition scharfe Kritik an den ausgehandelten Maßnahmen. Die Vereinbarungen seien eine „Beleidigung“ Namibias, zitierte die Tageszeitung “Namibian“ Inna Hengari, die der größten namibischen Oppositionspartei Popular Democratic Movement angehört.

Viele Nachkommen der Herero und Nama fühlten sich von der Regierung übergangen. „Wenn Namibia Geld von Deutschland bekommt, sollte es an die traditionellen Führer der betroffenen Gemeinschaften gehen und nicht an die Regierung“, forderte Joyce Muzengua – Mitglied der Partei Landless People´s Movement – im Mai. Einige Vertreter der Herero und Nama baten die namibische Regierung damals, das Abkommen mit der Bundesrepublik nicht zu unterzeichnen. Stattdessen forderten sie, dass die Regierungen neu verhandeln sollten – unter Beteiligung der betroffenen Völkergruppen der Herero und Nama.

Vernichtung der Herero und Nama

Zwischen 1884 und 1915 beherrschten Deutsche Kolonialherren das Gebiet Deutsch-Südwestafrika – das heutige Namibia. Deutsche Siedler zwangen Einheimische ihre Ländereien zu räumen und eigneten sie sich selber an. In der Folge besaßen einige traditionelle Viehzüchter nicht mehr den nötigen Raum, um ihre Tiere zu versorgen. Viele sahen sich in ihren Existenzen bedroht. Zusätzlich verbreitete sich die Rinderpest, mit der sich die soziale Lage der Herero weiter verschlechterte. Im Januar 1904 erhob sich die Volksgruppe der Herero gegen die deutschen Kolonialisten, um sich von der Unterdrückung zu befreien. Sie drangen in die Häuser von deutschen Siedlern und Siedlerinnen ein und ermordeten rund 120 Menschen. Die deutschen Kolonialisten waren den Herero in der Stärke der Truppe stark unterlegen. Im Sommer 1904 entsandte die deutsche Regierung Truppen, die die Kolonialisten unterstützen sollten.

In der Schlacht am Waterberg im August 1904 schlugen die deutschen Truppen den Aufstand der Herero brutal nieder. Daraufhin flohen die Herero in die Omaheke-Halbwüste, wo viele von ihnen verhungerten, verdursteten oder aufgrund der Hitze starben. Deutsche Truppen blockierten Wege, die aus der Wüste hinaus oder hin zu Wasserstellen führten. Der Generalleutnant Lothar von Trotha befahl, die Herero zu vernichten: „Innerhalb der deutschen Grenzen wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr erschossen.“. Die Kolonialisten internierten die gefangenen Herero in Konzentrationslagern. Insgesamt starben rund 65.000 von 80.000 Herero durch die brutalen Taten der Kolonialherren.

Im Oktober 1904 starteten die Nama einen Aufstand gegen die Kolonialherren. Auch dieser wurde blutig niedergeschlagen. Der Krieg dauerte fast fünf Jahre an und fand im Jahr 1909 sein Ende. In seiner Folge starben mindestens 10.000 Nama – rund die Hälfte des gesamten Volkes.

Wie geht es weiter?

Das namibische Parlament debattierte bis Anfang Dezember darüber, wie Namibia mit dem verhandelten Abkommen umgehen sollte. Eine Entscheidung fällten die Abgeordneten nicht. Die namibische Regierung erklärte, sie habe vor, weiter mit der deutschen Regierung zu verhandeln. Dabei gehe es insbesondere um die Höhe der vereinbarten Geldsumme, mit der die deutsche Regierung die Anerkennung ihrer Schuld am Völkermord zeigen wollte. Wie weit der Weg bis zu einer möglichen Einigung ist, bleibt unklar. Offen bleibt auch, wie die neue Regierung mit der amtierenden Außenministerin Annalena Baerbock die Beziehungen zu Namibia beeinflussen werden.