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Zu sehen ist die britische Band Idles auf der Bühne bei ihrem Konzert im Kölner Palladium.
Die Idles aus Bristol tourten in diesem Frühjahr quer durch Europa.

Idles in Köln: Stark gedämpfte Euphorie

Ein Konzertbericht von Hannes Rudolph

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Die britischen Post-Punker Idles sind mit ihrem neuen Album „TANGK“ auf Welttournee. Am 21. März machte die Band um Sänger Joe Talbot im Palladium in Köln halt. Ihre Show war über weite Strecken hochenergetisch – und hochpolitisch. Von einem Abend, an dem Band und Publikum letztlich nicht zueinanderfanden.

Joe Talbot steht gebückt am vordersten Bühnenrand. Mit einem Bein stützt er sich am vor ihm stehenden Monitorlautsprecher ab, sein Gesicht verzogen. Die geballte Faust schlägt er im Wechsel in die Luft und auf seine Brust, während er den elektrisierten Pit vor ihm stimmgewaltig zum Punksound seiner Bandkollegen antreibt. Gleichzeitig stürzen sich die Gitarristen Mark Bowen und Lee Kiernan mehrfach mitsamt ihren Instrumenten in die Menge, um den aktuellen Song irgendwo zwischen der ersten und fünften Reihe zu beenden – Routine für die Crew der Band, die danebensteht und das Geschehen beobachtet.

Seit dem Erscheinen ihres ersten Albums „Brutalism“ im Jahr 2017 haben sich die Idles den Ruf der wütenden und gesellschaftskritischen Postpunker aufgebaut, die bei ihren Auftritten zuverlässig für Abriss sorgen. Das Kölner Publikum musste sich allerdings zunächst gedulden, denn die fünf Briten begannen ihr Konzert auffällig ruhig. Auf „IDEA 01“, das verträumte Intro des insgesamt reifer und – für Idles-Verhältnisse - leiser klingenden neuen Albums, folgte „Colossus“. Erst kurz vor Schluss mündet der sich langsam steigernde Song aus dem Jahr 2018 in den ersten Idles-typischen Punk-Chorus des Abends. Es dauerte fast zehn Minuten, bis in der Crowd zum ersten Mal kein Halten mehr war.

Wenn Idles-Sänger Joe Talbot performt, gerät alles um ihn herum in den Hintergrund. Mit seiner energiegeladenen, selbstbewusst-authentischen Bühnenpräsenz sang er seine persönlichen Texte, wobei Talbots Gesang oft in ein befreiendes Brüllen übergeht. Eine ganze Reihe privater Schicksalsschläge schrieb und schrie sich der Waliser so in Idles-Songs von der Seele: die Beziehung zu seiner Mutter, die Talbot in Jugendjahren bis zu ihrem Tod pflegte, die Fehlgeburt seiner Tochter und seine überwundene Alkoholsucht. Auch der Kampf gegen toxische Männlichkeit, Rassismus und Klassismus sind Dauerthemen der Idles. Besonders empört sind die Musiker über die politischen Verhältnisse in ihrer Heimat Großbritannien. Wenn es nach ihnen ginge, wäre ihr Land weiterhin EU-Mitglied und die britische Monarchie längst abgeschafft.

Unnachgiebige Solidarität mit Palästina trifft auf verhaltenes Publikum

Es hätte also ein unbeschwerter, wilder Punk-Abend werden können. Ein hoffnungsvolles Gefühl der Verbundenheit hätte sich zum Ende des Konzerts im Palladium breitmachen können – spätestens beim Hit „Danny Nedelko“, der euphorischen Hymne für Toleranz und eine diverse Gesellschaft. Doch dieser versöhnliche Moment blieb aus. Nachdem die Idles im vergangenen Jahr noch dafür kritisiert wurden, sich im Nahostkonflikt nicht klar zu positionieren, schrecken sie auf der diesjährigen Tour nicht mehr davor zurück. So oft wie möglich betonen die Musiker nun ihre uneingeschränkte Solidarität mit Palästina. Über die sozialen Medien und die Presse verbreitete sich das schnell. Es war keine Überraschung, dass die Band das Thema auch beim Konzert in Köln überaus dominant platzierte. Talbot dichtete Zeilen seiner Songs für die Freiheit Palästinas um. An anderer Stelle erklärte er sinngemäß, dass es der größte Wunsch seiner verstorbenen Mutter wäre, dass er sich für Palästina starkmacht. Die Hamas, der Überfall vom 7. Oktober, die israelischen Geiseln in Gaza oder das Leid der Zivilbevölkerung in Gaza und anderswo? All das betonte die Band in Köln an keiner Stelle. Nach dem Idles-Konzert in Berlin schrieb die Süddeutsche Zeitung vom „zunehmend irren Druck zur politischen Eindeutigkeit auf Pop-Bühnen“.

Wie umgehen mit dem Nahostkonflikt im Kulturbereich? Was tun, wenn Künstler:innen auf großen Bühnen politische Botschaften zum Nahostkonflikt in primitive Call-and-Response-Sprechchöre pressen? Antworten auf diese Fragen bot die Idles-Show in Köln nicht. Die bizarren Momente, in denen eine überschwänglich Palästina-begeisterte Band auf ein zurückhaltend reagierendes deutsches Publikum trifft, bleiben letztlich mehr im Gedächtnis als eine ganze Reihe musikalischer Highlights. Am Ende verließen die Idles ohne Zugabe die Bühne.