
Harvards Freiheit erneut unter Beschuss
Seit Trumps Amtsantritt im Januar 2025 greift die US-Regierung in die Wissenschaftsfreiheit der Universitäten in ihrem Land ein. Besonders betroffen ist die Universität Harvard. Die Eingriffe begründet die Regierung mit vermeintlich diskriminierenden Praktiken von den Universitäten. Diese würden durch Diversitätsprogramme entstehen oder auch durch die Duldung von pro-palästinensischen Protesten von Studierenden auf dem Campus. Die letzten Forderungen der US-Regierung – Diversitätsprogramme einzustellen sowie die ideologische Gesinnung der Studierenden zu überprüfen und den Behörden zu übermitteln – erfüllte die Universität Harvard nicht. Jetzt folgte das Verbot der Aufnahme von ausländischen Studierenden.
Was wurde verboten?
Jede Universität in den USA pflegt die Daten ausländischer Studierender in eine nationale Datenbank ein. Dadurch können die Behörden die Immatrikulation prüfen und den Studierenden ihre Visa gewähren. Um auf diese Datenbank zugreifen zu können, braucht es allerdings ein Zertifikat des Heimatschutzministeriums – das sogenannte „Student and Exchange Visitor Program Certifcation“.
Dieses Zertifikat hat die US-Heimatschutzministerin Kristi Noem der Universität Harvard am Donnerstag, dem 22. Mai 2025, entzogen. Ohne das Zertifikat hat die Universität keinen Zugriff auf die Datenbank. Aktuelle und zukünftige Studierende sind davon betroffen. Die Universität kann die Zugehörigkeit der ausländischen Studierenden zu ihrer Institution nicht mehr beweisen. Die Zugehörigkeit zu einer Universität ist allerdings eine Voraussetzung für das studentische Visum. Fällt diese Voraussetzung weg, sind alle bereits bestehenden Visa der Studierenden in Gefahr.
Für zukünftige Studierende können außerdem keine neuen Visa ausgestellt werden. Bereits an der Universität Harvard Eingeschriebene müssen sich eine andere US-Universität suchen, sonst verlieren sie ihre Aufenthaltserlaubnis in den Vereinigten Staaten.

Die Anschuldigungen der Heimatschutzministerin – was ist wahr?
Im April 2025 stellte die US-Regierung Forderungen an die Universität Harvard. Zu den Forderungen gehörte es, Diversitätsprogramme einzustellen, die ideologische Gesinnung der Studierenden zu überprüfen und den Behörden zu übermitteln, sowie gegen Antisemitismus vorzugehen. Das würde die Universität nicht genug tun. Die Universität bestreitet das. Sie gehe gegen den Antisemitismus vor, wolle aber nicht die anderen Forderungen erfüllen, weil dies die Wissenschaftsfreiheit einschränke.
Das Ministerium wirft der Universität außerdem vor, „pro-terroristisches“ Verhalten zu unterstützen. Dieses Verhalten ginge vornehmlich von ausländischen Studierenden aus.
Des Weiteren behauptet das Ministerium, die Universität würde mit der chinesischen kommunistischen Partei zusammenarbeiten und habe Mitglieder einer paramilitärischen Gruppe ausgebildet. Ein, in dem Pressestatement der Heimatschutzministerin verlinkter Fox-News Artikel, soll die Anschuldigungen belegen. Dieser gibt jedoch lediglich Vorwürfe gegen die Universität wieder, die von Mitgliedern verschiedener politischer Komitees erhoben wurden. Als einziger „Beweis“ wird die Co-Autorenschaft von Wissenschaftler:innen aus Harvard mit chinesischen Wissenschaftler:innen an mehreren Studien zu Organtransplantationen vorgebracht.
Trumps Regierung ist eng mit der Nachrichtenorganisation Fox News verbunden. Vor ihrer politischen Karriere haben nicht wenige Regierungsmitglieder – unter anderem Pete Hegseth, der Verteidigungsminister – für den Sender gearbeitet.
Wie geht es für deutsche Studierende weiter?
Im Moment gibt es noch viel Unklarheit darüber, was mit deutschen Studierenden an der Universität Harvard passieren wird. Das Auswärtige Amt gab an, sich mit den US-Partnern schnellstmöglich in Verbindung setzen zu wollen.
Wie es den Studierenden vor Ort geht, zeigt ein Interview des Wirtschaftsmagazins Capital mit einem deutschen Studenten, der von einer „großen Verwirrung“ bei ausländischen Studierenden berichtet.
US-Heimatschutzministerin Noem gab an, das Zertifikat wiederherstellen zu wollen, sollte die Universität in den nächsten 72 Stunden die Informationen über ausländische Studierende weitergeben. Auch dieses Ultimatum verunsichert Studierende: „Aber was heißt das für unseren Aufenthaltsstatus in den drei Tagen und was ist dann nach den drei Tagen ab Montag?“, sagt der Student in dem Interview mit Capital. Da sich die Universität bereits geweigert hat, vergangene Forderungen zu erfüllen, ist es unwahrscheinlich, dass sie dem neuen Ultimatum der Regierung Folge leisten wird.
Ein wenig Klarheit, zumindest über die nahe Zukunft, dürfte den Studierenden die einstweilige Verfügung geben, die die Universität Harvard gleich am Freitag nach dem Entzug des Zertifikats erwirkte.
Chancen für deutsche Universitäten?
Am selben Tag, an dem die Universität Harvard das Verbot für die Aufnahme von ausländischen Studierenden erhielt, bekamen acht Universitäten in Nordrhein-Westfalen die Zusage für Fördergelder in Millionenhöhe. Im Gegensatz zu den USA wird die freie Forschung in Deutschland staatlich unterstützt. Eine der ausgezeichneten Universitäten ist die Heinrich-Heine-Universität. Mit den sogenannten Exzellenzclustern des Bundesministeriums für Forschung, Technologie und Raumfahrt, soll herausragende Forschung gefördert werden. Dazu gehört es auch, Mittel zu erhalten, um Spitzenforscher:innen aus anderen Ländern anzuwerben. Im Angesicht der jüngsten Ereignisse in den USA bietet sich hier eine Chance für deutsche Universitäten. Viele Forscher:innen möchten durch die Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit nicht mehr an einer US-Universität arbeiten. Nordrhein-Westfalen, das mit Abstand die meisten Exzellenzcluster bekommen hat, könnte die nächste wichtige Anlaufstelle für ausländische Forschende werden.
Harvard reicht Klage ein – wie sieht die Zukunft der Universität aus?
Am Freitag, dem 23. Mai 2025, reichte Harvard den Antrag auf eine einstweilige Verfügung im Bundesgericht von Massachusetts ein. Dieser wurde weniger Stunden später von Richterin Allison D. Burroughs bewilligt. Der Entzug des Zertifikats würde gegen die Verfassung verstoßen und sich negativ auf die Studierenden auswirken. Durch die einstweilige Verfügung kann die Universität Harvard bis auf Weiteres ausländische Studierende aufnehmen.
Die Universität Harvard sieht den Entzug des Zertifikats als Vergeltungsmaßnahme. Dafür spricht auch das Statement der US-Heimatschutzministerin Noem. Hier sagt sie: „Let this serve as a warning to all universities and academic institutions across the country.“ Diese Warnung an akademische Institutionen passt zu dem bereits eingeschlagenen Pfad der US-Regierung, gegen die Autonomie der Universitäten und gegen die Wissenschaftsfreiheit vorzugehen. Ein Regierungssprecher der deutschen Bundesregierung sagt zu den Ereignissen, dass „Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit [...] Einschränkungen der Demokratie selbst“ sind.
Die einstweilige Verfügung ist ein erster Schritt, um gegen diese Einschränkungen vorzugehen, allerdings keine endgültige Lösung. Am kommenden Dienstag soll die Anhörung stattfinden. Dort soll genauer untersucht werden, ob der Entzug des Zertifikats berechtigt war.
Die Probleme zwischen der Universität Harvard und der US-Regierung werden somit voraussichtlich weiter andauern. Die ausländischen Studierenden und alle, die in naher Zukunft an der Universität Harvard studieren wollen, bleiben bis zu einer endgültigen Lösung in einem Schwebezustand der Ungewissheit.