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Düsseldorf

Man sieht Menschen vor den Schadow-Arkaden in der Düsseldorfer Innenstadt. Sie laufen an einer Litfaßsäule vorbei. Auf der Litfaßsäule steht: „MTV EMA Düsseldorf 2022“.
MTV bewarb die EMAs auch an der Schadowstraße in der Innenstadt. (Foto: 2022 Andreas Rentz/MTV).

MTV EMAs 2022 in Düsseldorf: War was?

Ein Rückblick von Hannes Rudolph

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Der Musiksender MTV hat am 13. November in Düsseldorf die Europe Music Awards 2022 verliehen. Für ein paar Stunden stand die Stadt im Scheinwerferlicht der internationalen Musikbranche.

Anfang November sah man es plötzlich überall. Zunächst umbettet von einem schrillen blau-gelb-grünen Mosaik, ein paar Tage später auch vor einem matten Grünton. Das Logo des Musiksenders MTV – einst war es das Symbol der rebellischen Jugend- und Musikkultur der Neunziger. Mittlerweile hat es längst Kultstatus erreicht. Für etwa zwei Wochen zierte es nun auf Fahnen und Plakatwänden den Konrad-Adenauer-Platz vor dem Hauptbahnhof, die Innenstadt rund um die Heinrich-Heine-Allee und auf unzähligen Litfaßsäulen die ganze Stadt.

MTV hat zum 29. Mal die Europe Music Awards verliehen – hier bei uns in Düsseldorf. Der Star des Abends war Taylor Swift, die aktuell mit ihrem neuen Album „Midnights“ alle Rekorde bricht. Die US-Sängerin kam überraschend zur Preisverleihung in den Rather PSD Bank Dome und nahm ihre vier Auszeichnungen (unter anderem in den Kategorien „Best Video“ und „Best Artist“) persönlich entgegen. Bei der Preisverleihung traten OneRepublic, Lewis Capaldi, Ava Max und viele weitere Stars der internationalen Popmusik auf. Die britische Musikerin Rita Ora und der neuseeländische Regisseur und Drehbuchautor Taika Waititi führten als Moderator:innen-Duo durch die Preisverleihung, die laut den Veranstalter:innen in mehr als 170 Ländern live im Fernsehen übertragen wurde.

EMAs 2022: They Shake It Off

Ab dem Moment, in dem David Guetta gemeinsam mit Bebe Rexha als erster Act des Abends den Beginn der Party ankündigte, erschien die Show wie ein nicht endenes Feuerwerk. Eine perfekt inszenierte, aber dadurch weichgespült wirkende Performance jagte die nächste. Eine Tänzer:innen-Choreo hier, unzählige Laser- und Lichteffekte da. Hauptsache, es knallt. Auf der Showebene überzeugten die EMAs durchaus. Das Problem: Dazwischen war nicht viel. Als sich wenige Stunden vor Beginn herumsprach, dass Superstar Taylor Swift gelandet sei, erübrigte sich die Frage, wer das Rennen um die Auszeichnungen machen würde. Es folgten vier gewohnt selbstzentrierte Dankesreden, in denen Swift gar nicht daran dachte, andere Themen als ihr kreatives Schaffen und ihre Fans zu erwähnen. Immerhin sahen die Produzent:innen der EMAs ein, dass sie die aktuelle weltpolitische Lage in ihrer Show aufgreifen sollten. Der Auftritt der ukrainischen ESC-Gewinnerband Kalush Orchestra blieb aber unkommentiert und stand dadurch neben den anderen Performances im luftleeren Raum. Wenigstens die britische Band Muse widmete ihren Preis in der Kategorie „Best Rock“ den „Menschen in der Ukraine und den Frauen im Iran, die gerade für ihre Freiheit kämpfen“.

MTV musste seine einflussreiche Vorreiterrolle in der Musikindustrie schon vor langer Zeit an YouTube, Spotify und Co. abtreten. Vielleicht verstehen es die Verantwortlichen auch deshalb so gut, sich gnadenlos an die geringe Aufmerksamkeitsspanne und die medialen Konsumgewohnheiten ihrer Zielgruppe anzupassen. Als Zuschauer:in der EMAs fühlte man sich zeitweise wie in einem langen TikTok-Feed – nur eben als pompöse Fernsehshow. Zugegeben: Die gesamte kommerzielle Musikbranche befindet sich gerade in diesem Transformationsprozess. Bei den EMAs wirkt er ausgereift und abgeschlossen. All diese aufkommenden Fragen und Zweifel versuchten die Produzent:innen in ihrer Preisverleihung in entschlossener, lauter Manier von sich abzuschütteln – ironischerweise gemäß Taylor Swifts bekanntestem Song.

Und Düsseldorf?

Während der Preiszeremonie vergaß man leicht, dass die diesjährigen Europe Music Awards im beschaulichen Düsseldorfer Norden stattfanden. Auch bei der Würdigung der Gastgeberstadt erkannten die Produzent:innen eine Notwendigkeit, wählten dann aber den geringsten Aufwand, um ihr nachzukommen. Immerhin weiß Taylor Swift nun durch die Anmoderation eines eingespielten Songs der Gorillaz vom Tag zuvor, dass die Tonhalle ursprünglich als Planetarium gebaut wurde. Der bittere Tiefpunkt folgte allerdings wenig später. In einer Zwischenmoderation deuteten Rita Ora und Taika Waititi ein Beer Pong nachempfundenes Spiel mit überdimensionalen bayerischen Porzellan-Bierkrügen an, die mit Düsseldorf-Motiven bedruckt waren. Hätten sie Oberbürgermeister Stephan Keller bei ihrem Besuch im Rathaus einen Tag vor der Show doch mal besser danach gefragt. Immerhin wurde der große Düsseldorfer Einfluss auf die Popmusik durch kurze Kraftwerk-Einspieler in der Show angedeutet.

In der Woche vor der Preisverleihung konnte sich außerdem die lokale Musik- und Kulturszene im Rahmen der MTV Music Week präsentieren. Unter anderem kooperierte das Düsseldorfer New Fall Festival mit der Veranstaltungsreihe und bewarb die Konzerte der Künstler Drangsal und Schmyt mit dem Zusatz „MTV Music Week Presents“. Insgesamt fanden 50 Veranstaltungen an 17 Veranstaltungsorten statt. Die genauen Details zu den Konzerten und Partys wurden oft erst kurzfristig bekannt.

Alles für die Show

Ende August berichtete die Rheinische Post, die Verantwortlichen würden zum Abschluss der MTV Music Week ein Open-Air-Konzert im Ehrenhof planen. 2019 spielten Green Day anlässlich der EMAs ein großes World-Stage-Konzert auf dem Plaza de España in Sevilla. Dieses Jahr entschied man sich letztlich bei der Aufnahme des World-Stage-Konzerts der Gorillaz für den kleinen Rahmen ein paar Meter südlich. Einen allgemeinen Ticket-Sale für die Show in der Tonhalle gab es nicht.

In Düsseldorf haben sich zwei außergewöhnliche Großveranstaltungen der jüngeren Vergangenheit besonders in das kollektive Gedächtnis eingebrannt: die Ausrichtung des Eurovision Song Contest im Mai 2011 und das Grand Départ der Tour de France 2017. Manch eine:r mag gehofft haben, dass sich die EMAs und ihr Rahmenprogramm als einmaliges Ereignis in diese Düsseldorfer Liste eintragen. Der Zeitpunkt wäre günstig gewesen, mithilfe des Aufwinds der (wenn auch kurzen) internationalen Aufmerksamkeit ein überregionales Ausrufezeichen zu setzen.

Die Düsseldorfer Musik- und Clubszene steht seit Jahrzehnten für das Unkonventionelle, Gewagte und Experimentelle. Nicht zuletzt durch die enge kreative Verbindung zur Kunstakademie stand „The Sound of Düsseldorf“ immer im prägenden Austausch mit den bildenden Künsten. Nach über zwei Jahren Pandemie wäre der lokalen Szene ein publikumswirksames Musikereignis zu wünschen, das das popkulturelle Selbstverständnis der Stadt tatsächlich beflügelt. Die Verantwortlichen der EMAs waren vermutlich nie ernsthaft interessiert daran. Es ging eben allein um die Show. Für die meisten Düsseldorfer:innen werden die EMAs 2022 wohl nur als die Zeit in Erinnerung bleiben, in der plötzlich überall das MTV-Logo zu sehen war. Wenn überhaupt.