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Düsseldorf

Redaktion:
Zu sehen ist Kreide auf der Straße. Es steht geschrieben: #stopptBelästigung "Hast du einen Freund? Ich will dich b*msen" @catcallsofduesseldorf
Viele Frauen erlben häufig verbale sexuelle Belästigung. Catcalls of Düsseldorf macht darauf öffentlich aufmerksam (Foto: catcallsofduesseldorf)

„Eine schöne Form des Aktivismus“

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Catcalls of Düsseldorf ist eine Gruppe bestehend aus drei jungen Freund:innen und Mitbewohner:innen, die es sich zum Ziel gesetzt haben öffentlich auf Catcalls und andere Formen der Belästigung aufmerksam zu machen. Dafür schreiben sie mit Kreide, an den Ort des Geschehens, was die Betroffenen erlebt haben und teilen es dann auf Instagram. So setzen sie ein Zeichen gegen Catcalls und Belästigungen und machen auf eine Problematik aufmerksam, mit der viele FLINTAs (Female, Lesbian, Intersexual, Non-Binary, Trans, Agender) tagtäglich konfrontiert werden. Unsere Redakteurin Anna Urban hat sich mit zwei von ihnen zum Gespräch getroffen.

Aktivismus zum Drüberstolpern

Catcalls of Düsseldorf gibt es seit August 2021. Die Gründerinnen waren über Instagram auf die „Catcalls“-Accounts aufmerksam geworden und hatten großes Interesse auch für Düsseldorf dieses Projekt zu starten. Nach ihrer Registrierung bei Chalkback, der Organisation, die die Accounts verifiziert, konnten sie mit dem Kreiden beginnen.

Aktuell sind sie zu dritt: Elyssa, Lena und Elisa. Sie tauschen sich meist direkt aus, wenn eine neue Nachricht bei Instagram reinkommt und gehen dann zusammen ankreiden. Einsenden dürfen die Betroffenen grundsätzlich erstmal alle Diskriminierungserfahrungen: „Erfahrungen mit sexueller Belästigung, auch verbaler sexueller Belästigung aber auch Diskriminierung anderer Art, wie Rassismuserfahrungen“ erzählt Lena. „Wir sind auch immer offen dafür mit den Personen in den Dialog zu treten und für sie da zu sein. An der Stelle ist uns das aber auch immer wichtig hervorzuheben, dass wir keine professionelle Hilfe leisten können. Es gibt einfach Sachen, die unsere Kapazitäten übersteigen, aber wir sind trotzdem gern für die Leute da und helfen auch gern bei Beratung und Anlaufstellen.“

Das Kreiden ist für die drei aktiven Mitglieder auch ein Weg sich mit anderen Aktivist:innen zu vernetzen. „Es gibt verschiedene Gruppen, in denen man miteinander schreibt, wo man sich auch gegenseitig Hilfestellungen gibt und das ist echt richtig schön. Man hat auch ein paar Versammlungen im Jahr von Chalkback bei denen man teilnehmen muss, aber darüber hinaus kann man entscheiden wie viel man da mit anderen in Kontakt treten will und auch an welchen Aktionen man teilnehmen möchte“, erzählt Elyssa.

Triggerwarnungen und Co: Was kann man Menschen zumuten?

Gerade konkrete Schilderungen von körperlichen Übergriffen können Menschen natürlich „triggern“. Eine Triggerwarnung beim Ankreiden auszusprechen ist jedoch gar nicht so ohne weiteres möglich. „Wir sind generell voll für Triggerwarnungen, das ist sehr wichtig und auch gut, aber es ist bei unserer Kunstform manchmal ein bisschen schwierig, weil man es da ja nicht verdecken kann und die Kreide an sich ist ja das ist, was Aufmerksamkeit erregen soll,“ berichtet Elyssa. Auf Instagram ist es etwas leichter. Dort haben sich die Aktivist:innen dazu entschieden bei Schilderungen von besonders schwerwiegenden Vorfällen Triggerwarnungen auszusprechen.

Auch bei der Frage, was die drei nicht ankreiden, sind sie teilweise unschlüssig. „Wir hatten das bisher noch nicht, aber wir wissen, dass es bei anderen Accounts auch Diskussionen darüber gibt, ob man jetzt konkrete Vergewaltigungserfahrungen ankreiden sollte. Manche Accounts machen das, manche machen das auf der Straße in abgeschwächter Form und posten das dann eher digital, weil man dort eine Triggerwarnung aussprechen kann, und auf der Straße eben nicht. Und manche sagen: Das übersteigt unsere Kompetenz und bei uns geht es um Diskriminierungs- und Belästigungserfahrungen und nicht um Vergewaltigungen, weil das natürlich noch viel mehr triggern kann.“ sagt Lena. Es sei schwierig, erzählt Elyssa, da man ja einerseits nicht inflationär Triggerwarnungen aussprechen wollen würde und andererseits vieles auch triggernd sein könne. „Deshalb reden wir da oft darüber aber haben da noch nicht den perfekten Weg gefunden“.

Die guten und die schlechten Seiten

Durch ihre Arbeit erleben die Aktivist:innen viele Geschichten, die im Kopf bleiben. Besonders wenn Minderjährige ihre Erfahrungen einsenden, dann beschäftigt das die drei sehr, erzählen sie. Dann ist das Bedürfnis nach Austausch meist besonders groß und sie sprechen viel untereinander und mit Freund:innen und Bekannten darüber.

Auch beim Kreiden erleben sie Negatives wie Positives. „Die meisten ignorieren es sogar, laufen vorbei und gucken so ein bisschen, was wir da machen. Ab und zu kommt man auch mit Menschen ins Gespräch. Oftmals ist da so ein offenes Interesse und dann tauscht man sich ein bisschen aus und erzählt, was man macht. Wir kriegen viel positives Feedback aber auch zum Teil mal einen richtig blöden Spruch, also gerade in der Altstadt,“ erzählen die beiden.

Aber es geht auch anders: „Wir hatten auch schon super viele Gespräche mit Männern, die eben erst gesagt haben, das sei ja nur ein Kompliment und die dann gefragt haben, was denn 'okay' ist und was nicht 'okay' ist, wo ich das Gefühl hatte, dass die recht verständnisvoll dafür waren, dass das nicht cool ist, wenn sich eine Person nicht wohl fühlt und dass man da viel Acht drauf geben muss“, schildert Lena. Solche Erlebnisse zeigen den dreien, dass ihr Aktivismus etwas bringt und bewirkt.

Das Ziel ihres Aktivismus‘ ist es zum einen, den betroffenen Personen Gehör zu schenken und ihnen ihre Stimme zurückzugeben und zwar, für den Ort, an dem das passiert ist. Außerdem wollen sie gemeinsam mit Chalkback und Catcalls erreichen, dass catcalling strafbar wird, „weil es eine Form der sexuellen Belästigung ist und schwerwiegende Folgen haben kann. Wir als FLINTA-Personen schränken uns einfach krass im Alltag ein. Wir gehen Umwege, wir ziehen uns anders an, weil wir eben Angst haben und das sollte nicht sein“. In Düsseldorf suchen die drei gerade nicht nach neuen Unterstützer:innen, weil sie sich die Arbeit gut zu dritt aufteilen können. Sie sagen jedoch: „Wenn man nicht direkt in Düsseldorf wohnt, kann man schauen, ob es schon in der Heimatstadt einen Account gibt und da nochmal anfragen, ob es Kapazitäten gibt oder wenn man möchte, dass selbst in die Hand nehmen und einen Account machen. Das ist nämlich wirklich eine schöne Art des Aktivismus, denn man hat ein schönes Netzwerk und es bewirkt vieles und es macht auch wirklich Spaß!“