Campus

Unsichtbare Ungleichheit: Toiletten an der HHU
Ein Gastbeitrag von Laura-Marie Parg
Die Vorlesung endet, eilige Schritte und eifrige Stimmen durchziehen den Flur. Während einige schon Richtung Mensa ziehen, biegt eine Gruppe Studentinnen in Richtung Toilette ab und reiht sich in eine wartende Schlange ein. Geduldige Gesichter, verschränkte Arme, ein Blick auf die Uhr. Wenige Meter daneben öffnen und schließen sich die Türen der Herrentoilette im schnellen Takt. Für die einen vergeht kaum eine Minute, für die anderen gleich ein Teil der Pause. Was sich hier auf dem Campus manifestiert ist kein Einzelfall, sondern wiederholt sich überall dort, wo man im öffentlichen Raum halt mal muss – in Clubs, bei Konzerten usw. Eine Studie dazu belegt – bei gefüllten Festivals warten Frauen ca. sechs Minuten, Männer hingegen nur elf Sekunden.
Warum Frauen öfter und länger müssen
Frauen warten, Männer nicht. Worin begründet sich dieses alltägliche Phänomen? Zu finden ist die Erklärung zunächst in anatomischen Gegebenheiten: Zwar ist das Fassungsvermögen der Blase bei Männern und Frauen ungefähr gleich, doch bei Frauen setzt der Harndrang bereits bei geringerer Füllmenge ein. Das heißt, Frauen müssen biologisch bedingt öfter auf die Toilette. Obwohl das Wasserlassen bei Männern und Frauen in etwa gleichlang dauert, spielen gewisse Faktoren eine Rolle, die den Toilettengang für Frauen um etwa 50 % verlängern. Darunter beispielsweise die Menstruation, ebenso wie die Tatsache, dass Männer sich an einem Urinal wesentlich schneller erleichtern können, weil das Ausziehen der Klamotten und das Abputzen wegfällt.
Gleiche Flächen – ungleiche Chancen
Ein Blick in die Philosophische Fakultät der HHU zeigt, wie sich diese Unterschiede auf dem Campus niederschlagen. Männer- und Frauentoiletten nehmen dort zwar in etwa die gleiche Fläche ein, doch die Nutzungsmöglichkeiten sind ungleich verteilt: Frauen haben insgesamt 17 Toilettenkabinen, während Männer auf zehn Toilettenkabinen und zusätzlich 17 platzsparende Urinale zurückgreifen können. Damit verfügen Männer über 27 Nutzungsmöglichkeiten. Das sind zehn und somit 37 % mehr als Frauen, die ohnehin schon länger und öfter müssen.


All-Gender-Toiletten als Lösung?
Ein möglicher Ausgleich könnten All-Gender-Toiletten darstellen, die flexibler genutzt werden können. An der HHU gibt es sie vereinzelt. Aber in manchen sind neben Kabinentoiletten auch Urinale platziert – ungern begegnet man als Frau einem Mann am Pissoir.
Dennoch ist nicht abzustreiten, dass All-Gender-Toiletten im Kern fair verteilte Toilettenmöglichkeiten bieten, doch die eigentliche Schieflage in den regulären Toiletten bliebt bestehen.
Kleinigkeit mit großer Bedeutung
Manche empfinden diese Thematik vielleicht als triviales Alltagsproblem. Doch bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass dieses nur ein Beispiel von vielen Ungerechtigkeiten des Alltags darstellt. Mittlerweile steht jedoch die Frage der Sichtbarkeit und Teilhabe im Mittelpunkt. Toiletten sind dabei ein Symbol. Längere Wartezeiten bedeuten nicht nur verlorene Minuten, sondern verweisen auf subtile Benachteiligungen, die Zeit und Nerven rauben. Weil sie im Alltag kaum bewusst wahrgenommen werden, erscheinen sie unsichtbar, sind aber deswegen nicht weniger real und relevant.