Zum Hauptinhalt springen

Campus

Redaktion:
Zu sehen sind eine Bühne auf der eine Sängerin steht und Menschen vor der Bühne
Das Sommerkult letztes Jahr zog ebenfalls viele festivalbegeisterte Menschen an (Foto: Lena Berghaus)

Phänomen Festival

Auf dieser Seite

Dixiklos ohne Toilettenpapier, schales Bier für fünf Euro und Menschen, die auf dem Campingplatz bis morgens Techno hören, natürlich direkt neben deinem Zelt. Was für die einen klingt, wie ein Alptraum, ist für andere die beste Zeit im Jahr: Festivals! Aber was macht diese Veranstaltungen so besonders? Warum nehmen wir Schlafmangel und Verlust der Privatsphäre für drei Tage so gerne in Kauf? Eine Analyse.

Morgens um sieben ist es schon sehr warm im Zelt. Also wird sich aus dem Schlafsack geschält, die Oropax, die prophylaktisch mitgebracht wurden, kommen raus aus den Ohren und der Weg aus dem Zelt und zu den Toiletten wird angebrochen. Die letzten zwei Stunden war es ruhiger auf dem Campingplatz, denn die Gruppe, die nebenan campt, hat um fünf Uhr die wirklich sehr große Bass-Box schließlich ausgemacht. Auf dem Weg zu den Toiletten sind die ersten Menschen bereits wieder dabei warmes Dosenbier zu trichtern. Es ist Tag zwei auf dem Festival – das Toilettenpapier ist natürlich schon leer.

Raus aus dem Alltag

500 Festivals finden jährlich in Deutschland statt. Nicht wenige davon werden von über 100.000 Menschen besucht. Festivals lösen also Begeisterung aus. Aber warum? Dem Alltag entfliehen und umgeben von gut gelaunten Menschen feiern. Das ist sicherlich einer der Hauptgründe ein Festival zu besuchen. Schließlich gibt es kaum etwas Schöneres, als mit Freunden auf eine Feierlichkeit zu gehen. Umso schöner ist es dann, wenn das Ganze gleich drei Tage anhält. Vielleicht auch besonders deshalb, weil die Menschen auf dem Festival wirklich viel besser gelaunt sind als der Prof in der Freitagsvorlesung, die nun leider leider verpasst werden musste. Auch unter HHU-Studierenden waren „Gute Stimmung“, „Gute Musik“ und die „Festival-Atmosphäre“ die am häufigsten genannten Gründe auf ein Festival zu gehen. Aber ist das wirklich schon alles? Kann man nicht auch ein entspanntes Wochenende am See verbringen ohne Menschen, die sich in der vordersten Reihe vor der Bühne hinhocken und pinkeln, weil es so dringlich ist, sie ihren Platz aber nicht verlieren wollen?

Anonymität der Masse

Nicht nur die Tatsache, dass der stressige Alltag mal vergessen werden kann, sondern sicherlich spielt auch die Anonymität eine große Rolle. In einer Gesellschaft, die relativ strengen Vorstellungen davon folgt, was akzeptiert ist und was nicht, kann ein Ausbrechen daraus eine entspannte Abwechslung sein. Auf Festivals scheint es häufig so, als wäre man in eine Art Parallelwelt geraten. Eine in der es in Ordnung ist drei Tage nicht zu duschen, morgens schon zu trinken und eben auch direkt vor der Bühne zu pinkeln, wenn gleich die Lieblingsband spielt. Nicht falsch verstehen: Der teilweise exzessive Alkohol- und Drogenkonsum auf Festivals sollte auf keinen Fall verherrlicht werden, aber dies zeigt auch, dass Menschen gerne mal die Regeln brechen, ausgelassen tanzen und sich mit Fremden auf dem Campingplatz bis zum Sonnenaufgang in den Armen liegen. Niemand erwartet eine Rechtfertigung dafür, denn schließlich machen das dort alle so. Das Ausbrechen aus dem Alltag scheint ein Bedürfnis zu sein, was viele Menschen vereint und auf Festivals geht das besonders gut. Seltsam irgendwie, dass ausgerechnet Erbrochenes vor dem Zelteingang einem dabei hilft, den Alltagssorgen zu entfliehen und sich mal wieder ganz menschlich zu fühlen. Diese, vielleicht auch nur gefühlte, „urteilsfreie Zone“, bietet also Raum für Extreme. Ob dies gut ist oder nicht, liegt im persönlichen Ermessen des Einzelnen. Anerkennen, dass diese Bedürfnisse existieren müssen wir jedoch trotzdem.

Festival-Lifehacks

Damit man Festivals ohne größere und kleinere Zwischenfälle gut übersteht, haben wir noch 10 Festival-Lifehacks für euch, von HHU-Studis:

  1. Klopapier mitnehmen - Es gibt wirklich nie genug!
  2. Vorher zwei Liter Wasser trinken - Das natürlichste Anti-Kater-Mittel der Welt
  3.  Wenn das nicht reicht - Eine faltbare Flasche mitbringen und sich mit einem Karabiner an die Bauchtasche hängen.
  4. Sonnencreme -  Damit ihr nicht wie gebratene britische Tourist*innen auf Mallorca ausseht
  5.  Zahlenschloss - Um schnell und einfach das Zelt zu verriegeln, wenn dein Schlafsack zu gemütlich aussieht und aus anderen Ecken schon rübergeschielt wird.
  6.  Sonnenschutz jeglicher Art - Neben Sonnencreme sollten auch Kopfbedeckungen nicht vergessen werden. Keiner hat Lust auf einen Sonnenstich.
  7.  Einwegkameras - Grandios, um Erinnerungen festzuhalten und toll, wenn der Film entwickelt wird und man die Momente so nochmal erleben kann.
  8.  Gaffa-Tape - Immer praktisch!
  9. Pflaster - Denn man sollte nicht unterschätzen, was langes Stehen, Hüpfen und Tanzen für Blasen verursachen kann.
  10. Oropax - Aus offensichtlichen, oben aufgeführten Gründen.

Musik verbindet

In Gemeinschaft Musik hören, Tanzen und Feiern gehört wohl zu den schönsten Momenten im Leben von vielen – Festivals verbinden. So schön, dass dafür gut und gerne auch mal 200 Euro ausgegeben werden. Mit dem Pfand vom Dosenbier hat man das ja schließlich fast wieder reingeholt, oder? Für die meisten ist es das viele Geld jedenfalls wert, denn jährlich kommen immer mehr neue Festivals in Deutschland hinzu und nicht zum ersten Mal, habe ich letzte Woche den Satz, „Das wird mein Festivalsommer!“ gehört. Tagsüber dröhnt die Musik also aus der mitgebrachten Box, während auf mittelbequemen Campingstühlen gesessen, Pizza gegessen und Bier getrunken wird und abends stehen die Lieblingsbands und -DJs auf der Bühne für ihre Liveshows. Musik umgibt jedes Festival und ist der zentrale Ankerpunkt, der alles vereint.

Was macht das Phänomen Festival also aus? Es scheint also gerade die Kombination aus Anonymität und Gemeinschaft zu sein, die Festivals zu so einer attraktiven Veranstaltung machen. Am Ende ist es also egal, ob man sich Freunden oder Fremden in den Armen liegt: die Musik, das Ambiente und Leute sorgen eben für eine wunderbare Kombination.

Printausgabe Sommerkult ‘23

Dieser Artikel ist Teil unseres Magazins zum Sommerkult-Festival 2023. Deshalb ist er auch bereits gedruckt erschienen. Das Festival findet am 15. und 16.06 statt.