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Campus

Redaktion:
Man sieht Thomas Mittelstädt in seinem Laden hinter dem Tresen stehen.
Trotz Pandemie kein Homeoffice: Thomas Mittelstädt in seinem Uni-Shop.

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Während Studierende und Beschäftigte im Homeoffice sind, ist der Campus wie ausgestorben. Nur Thomas Mittelstädt ist noch da – ein Besuch im Uni-Shop.

Die beiden Zeitungsständer klappern laut, als Thomas Mittelstädt sie aus dem Uni-Shop auf den Campus schiebt. In die Ständer hat er nur wenige Zeitungen gesteckt. Ein Klappschild preist sonst die Tickets für die Fortuna-Heimspiele an. Er hat es schon länger nicht mehr aufgestellt. Thomas Mittelstädt, 56 Jahre, mit kurzen, schwarzen Haaren und VW Bulli auf dem grauen T-Shirt. Sein Dreitagebart verschwindet unter der dunkelblauen Stoffmaske mit dem Uni-Logo. „Das mit den Masken, das war Essig“, meint er. Essig. Das sagt er, wenn er sich über Dinge ärgert, für die niemand so wirklich was kann. Kaum hatte er die Stoffmasken in den Verkauf genommen, wurden die medizinischen Masken Pflicht. Essig – das ist auch die Pandemie. Niemand kann so wirklich was dafür, trotzdem bedroht sie seine Existenz. So wie bei vielen, die wie Thomas Mittelstädt seit einem Jahr kaum noch Kund:innen haben.

Die Zuverlässigkeit der Familie Mittelstädt

Vor 26 Jahren hat Thomas Mittelstädt den kleinen Laden auf dem Uni-Campus von seinen Eltern übernommen. So ausgestorben wie im Moment war er noch nie. Die Mensa, die Cafeterien, die Buchhandlung gegenüber – alle zu. Der Uni-Betrieb läuft online, nur noch die wenigsten Studierenden und Mitarbeitenden kommen auf den Campus. In den Uni-Shop kommen noch weniger. 30 Kund:innen sind es am Tag – vorher bis zu 800. Trotzdem ist der Uni-Shop geöffnet, montags bis freitags von 8 bis 15 Uhr. „Ich kenne das ja nicht anders: Der Laden war immer Mittelpunkt der Familie. Ich habe hier schon gestanden mit 42 Fieber. Wenn du unzuverlässig wirst, da sagen die Leute: ‚Guck mal da, der ist unzuverlässig, da brauchste nicht hingehen.‘ Deswegen bin ich immer da, deswegen komme ich auch jetzt.“ Die Verlässlichkeit der Familie Mittelstädt gilt im Uni-Shop seit 40 Jahren. Daran ändert auch eine Pandemie nichts.

Das, wofür du Jahre gebraucht hast, um dir was zurückzulegen, das ist weg. Und mit dem, was übrig bleibt, kommste halt nicht aus.

Summen, die sich läppern müssen

Kurz nach acht, die Tür geht auf. Der Fahrer der Kehrmaschine kauft sich Zigaretten und ist direkt wieder draußen. Die Kasse piept, die Anzeige springt auf eins – er war der erste Kunde heute. Die meisten Kund:innen lassen nur wenig Geld im Laden. Wenige Euro, die sich läppern, wenn nur genug Kund:innen kommen. Im Moment sind es zu wenige: Nur 400 Euro bringt der Uni-Shop pro Monat. „Ich hab’ Familie, zwei Kinder, ’ne Frau, ’n Haus. Von 400 Euro ist das schwer.“ Um über die Runden zu kommen, muss er jeden Monat an sein Erspartes gehen. 1500 Euro pro Monat. Eigentlich müsste er etwas für seinen Ruhestand zurücklegen, aber mit jedem Monat wird sein Erspartes weniger: „Das, wofür du Jahre gebraucht hast, um dir was zurückzulegen, das ist weg. Und mit dem, was übrig bleibt, kommste halt nicht aus.“

Gegen neun kommt Yassine Euchi rein. Zielstrebig holt er sich einen Energydrink aus dem Kühlschrank. Er wohnt im Wohnheim direkt am Campus, keine 100 Meter vom Laden. Der Campus ohne Uni-Shop? Für ihn nicht vorstellbar: „Oh mein Gott, das wäre schlimm, für ihn, aber auch für uns.“ Hier kauft er Getränke, Tabak, aber auch Schreibsachen für die Uni – heute nur den Energydrink. Dann muss er los zu seiner Informatik-Klausur.

Trotz Pandemie kaum Zweifel

Für Thomas Mittelstädt ist vieles Essig in dieser Pandemie. Ans Aufgeben denkt er trotzdem nicht: „Nä, nä, nä, den Gedanken gibt’s nicht. Ich weiß auch nicht, ob ich das könnte, jetzt irgendwo in ’ner Firma anfangen. Ich hab’ 25 Jahre allein entschieden, ich lass’ mir ja nichts mehr sagen … Gut, wenn’s gar nicht mehr geht, musste halt in den sauren Apfel beißen.“ Den Zweifel lässt Thomas Mittelstädt nur kurz zu. Lieber spricht er über angenehmere Dinge. Wie die Crowdfunding-Aktion für seinen Laden. 308 Personen haben für seinen Laden gespendet. Mehr als 5000 Euro. „Was ich viel beeindruckender fand, dass überhaupt Leute gespendet haben. Da schreiben Leute ‚Da habe ich immer mein Bier getrunken, der Laden muss weiter bestehen.‘ Da war ich wie von den Socken.“ Die vielen Erinnerung an seine Kund:innen helfen ihm durchzuhalten. Durchzuhalten, bis Studierende und Mitarbeitende auf den Campus zurückkommen.

Gegen 15 Uhr zieht Thomas Mittelstädt die Zeitungsständer in den Uni-Shop zurück. Die Anzeige der Kasse zeigt eine 50. 50 Kund:innen hatte Thomas Mittelstädt heute – immer noch zu wenige, aber immerhin mehr als sonst.

Seit 1981 betreibt Familie den Uni-Shop auf dem Heine-Campus. 1995 hat Thomas Mittelstädt den Laden von seinen Eltern übernommen. Mit der Aktion #SaveOurKiosk hat die HHU-Mitarbeiterin Danielle Ebers Spenden für den Kiosk gesammelt - Spenden sind weiterhin möglich.

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